(ots) - Was haben Krawalle bei Lehrerprotesten in Rio de
Janeiro und São Paulo mit der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse zu
tun? Immerhin trennten diese Ereignisse, die sich gestern zutrugen,
einige Stunden und 9500 Kilometer. Und doch ist es in unserem
globalen Dorf, in dem Nachrichten nahezu in Echtzeit fließen und das
Hauptzahlungsmittel eine Währung namens Aufmerksamkeit ist, nicht
einmal ein Katzensprung von Brasilien nach Deutschland und zurück.
Aus diesem Grund können sich brasilianische Demonstranten gegen
Kollateralschäden künftiger Sportgroßveranstaltungen (Fußball-WM
2014, Olympische Spiele 2016) ebenso viel mediale Beachtung
ausrechnen wie jene Pädagogen, die gestern für höhere Gehälter auf
die Straße gingen. Weil Anarchisten auch und gerade sachlich gut
begründete Kundgebungen für ihre gewalttätigen Zwecke und das dadurch
provozierte Medienecho missbrauchen, ist friedlichen Demonstranten
kaum damit gedient, dass Brasilien in diesem Jahr Gastland der
Buchmesse ist. Dies deshalb, weil alles, was während der weltweit
größten literarischen Leistungsschau in dem südamerikanischen Land
geschieht, unter besonderer Beobachtung steht. Krawalle sollten zwar
auf deren konkrete Urheber zurückfallen. Doch so differenziert dürfte
kein Fernsehzuschauer urteilen, der 9500 Kilometer von einem
Unruheherd entfernt lebt, wenn er Bilder eines plündernden und
zündelnden Mobs sieht. Irgendwas bleibt immer hängen - in diesem Fall
an Brasilien. Diese stolze wie gebeutelte Nation, für die der
Gastauftritt bei der Buchmesse eine Chance ist, seine kulturellen
Hervorbringungen in ein gutes Licht zu rücken. Zugleich liegt darin
aber auch ein Risiko. Dann nämlich, wenn brasilianische Chaoten das
einreißen, was die literarischen Diplomaten ihres Heimatlandes in
Frankfurt gerade mühselig aufbauen: Vertrauen, Dialog, Verständnis.
Jene 70 Buchbotschafter, die Brasiliens Kulturministerium nach
Deutschland entsandt hat, sollten die Krawalle darin bestärken, für
ihr Land zu werben und dessen Widersprüche zu erklären. Literatur
kann eine Brücke sein, wenn das, was sie beschreibt, nicht den
Brandschatzern überlassen bleibt.
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