(ots) - Die Lage ist vertrackt. Je länger der Wahlsonntag
Vergangenheit ist, desto glanzloser wird Angela Merkels doch
eigentlich strahlender Sieg. Alle zieren sich, mit der mächtigen Frau
anzubandeln. Demokratisch ist es nicht. Bislang galt, dass jeder
gern regieren will; je nach Wählerwillen auch als Juniorpartner.
Parteien wollen gestalten, zumindest mitgestalten.
Franz Müntefering hat ja recht: Opposition ist Mist. Dafür tritt
keine Partei im Wahlkampf an. Aber der ist ja erst eine Woche vorbei.
Deshalb ist noch alles Spekulation. Noch müssen CDU und CSU
überlegen, wie sie ihren Sieg in Regierungsmacht umsetzen. SPD und
Grüne müssen ihren Frust über das erneute Votum des Volkes gegen sie
abarbeiten. Erst dann wird bei einem von ihnen die Einsicht
einkehren, dass in einer Demokratie das Interesse des Landes Vorrang
hat vor dem der Partei; dass Verweigerung die demokratischen
Spielregeln verletzt. Die SPD hat mit ihrer Bereitschaft zu
Sondierungsgesprächen mit der Union einen ersten vorsichtigen Schritt
getan. Die Grünen mit ihrer Neulings-Führungscrew scheinen
überfordert, jetzt den historischen Schwenk zu den Schwarzen zu
wagen. Eine Minderheitsregierung Merkel schließlich wäre ein
unverantwortliches Vabanquespiel. Allein politisches Spielmaterial
ist in dieser Phase des gegenseitigen Abtastens eine rot-rot-grüne
Koalition.
Wahlprogramme sind Wunschkataloge der Parteien, keine Dogmen. Die
Versprechungen werden zwangsläufig in vom Wähler erzwungenen
Koalitionen relativiert. Die CDU hat dennoch einen taktischen Fehler
gemacht, als sie Steuererhöhungen zur Diskussion stellte, statt
darüber erst in echten Verhandlungen zu pokern. Aber wäre das
wirklich auch Wahlbetrug? Beharren auf der reinen Parteilehre würde
Koalitionen ausschließen. Und wie war das eigentlich bei der Wahl
2005? Da hatte die SPD gegen Merkels Ankündigung polemisiert, die
Mehrwertsteuer um zwei Punkte zu erhöhen. Als die große Koalition
stand, waren es drei Punkte mehr. So sind Koalitionsverhandlungen.
Wer das für undemokratisch hält, muss ein anderes Wahlrecht fordern.
Nicht etwa die Herabsetzung der Fünfprozenthürde, sondern das
Mehrheitswahlrecht. Mit ihm schafft der Wähler klare Mehrheiten und
erlaubt dem Regierungschef, sein Programm kompromisslos abzuarbeiten.
Doch dafür gibt es in Deutschland überhaupt keine Mehrheit.
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