(ots) - Von Thomas Spang
   Barack Obama steht vor der einsamsten Entscheidung seiner 
Präsidentschaft. Ohne Segen der Vereinten Nationen, Unterstützung der
NATO und erheblicher Skepsis im US-Kongress liefe ein Militärschlag 
in Syrien auf einen Alleingang hinaus. Nicht einmal der treueste 
Verbündete in Großbritannien zöge mit in die Schlacht, nachdem das 
britische Unterhaus Premierminister David Cameron abblitzen ließ. Bei
der Entscheidung für eine Strafaktion ginge der US-Präsident damit 
ein enormes Risiko ein. Er könnte in einen Krieg hineingezogen 
werden, gegen den sich Obama aus gutem Grund zweieinhalb Jahre mit 
Händen und Füßen gewehrt hatte. Der Commander-in-Chief kann die 
eigenen Streitkräfte kontrollieren, nicht aber die Reaktion des 
syrischen Regimes und seiner Verbündeten. Wenn alles schief läuft, 
fände sich der Friedensnobelpreisträger ohne Rückhalt der eigenen 
Bevölkerung plötzlich in einem regionalen Konflikt wieder. Bittere 
Ironie für einen Präsidenten, der seinen politischen Aufstieg 
wesentlich auch der Opposition gegen George W. Bushs 
Cowboy-Diplomatie und Irak-Invasion verdankt. Verwundert reiben sich 
seine Unterstützer die Augen und fragen, warum dieser für seine 
Besonnenheit so oft gescholtene Mann einmal mehr eine eiserne Seite 
zeigt. Wie schon bei der geheimen Kommandoaktion gegen Osama 
bin-Laden und der Drohnenkampagne in Pakistan und Jemen. Für Obama 
geht es um Glaubwürdigkeit. Vor einem Jahr hatte er in Syrien vor der
Verwendung von Massenvernichtungswaffen gewarnt und eine "rote Linie"
gezogen. Diese Schwelle ist bei dem Giftgasangriff von Ghouta 
eindeutig überschritten worden. Den Preis zahlten tausende vergaste 
Kinder, Frauen und Männer. Die Konsequenzen moralischer Indifferenz 
in einer so gravierenden Frage wären fatal. Damit erhielten 
skrupellose Diktatoren das Signal, es sei "okay" 
Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Untätigkeit ist deshalb keine 
Option. Die Dringlichkeit einer Reaktion gibt umgekehrt keinen 
Freibrief für kopflosen Aktionismus. Vor jeder Strafmaßnahme muss die
Verantwortung für das Verbrechen bewiesen werden und strategische 
Klarheit über die Ziele einer Intervention herrschen. Obama blieb in 
beiden Punkten bisher schwammig. Seit dem Desaster in Irak verlangt 
die Öffentlichkeit mehr als verbale Versicherungen oder an die Presse
gestreute Informationen und Indizien. Washington muss über jeden 
Zweifel erhaben zeigen, dass die Verantwortung für den unakzeptablen 
Tabubruch bei der syrischen Regierung liegt. Sei es mit abgefangener 
Kommunikation oder den Befunden vor Ort. Bisher bleibt Obama diesen 
wasserdichten Beweis schuldig. Wenn die Fakten etabliert sind, stellt
sich die Frage, wie eine Strafaktion künftige Einsätze von 
Massenvernichtungswaffen verhindern kann? Das Risiko, mit einem 
begrenzten Militärschlag keine Verhaltensänderung zu erreichen, ist 
erheblich. Was dann? Angesichts der breiten Ablehnung eines neuen 
Engagements im Nahen Osten in der Bevölkerung und fehlender 
internationaler Rückendeckung, sollte Obama mindestens den Kongress 
in die Verantwortung einbinden. Ein Großteil der Abgeordneten 
verlangt es und die US-Verfassung sieht in Fragen von Krieg und 
Frieden eine klare Rolle für den Kongress vor. Ein Alleingang auf 
Verdacht könnte sich als folgenschwerer Fehler erweisen.
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