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Mittelbayerische Zeitung: Unabhängig, aber nicht blind: Noch bevor der NSU-Prozess beginnt, hat das Münchner Oberlandesgericht viel Porzellan zerschlagen. Von Reinhard zweigler

ID: 844370

(ots) - Man muss das Münchner Oberlandesgericht, vor
dem in knapp zwei Wochen der Prozess gegen die Neonazi-Terrorzelle
NSU beginnt, verteidigen. Eine "schützende Haltung" gegenüber
Rassisten und Rechtsextremisten nimmt das Münchner Gericht nun
wahrlich nicht ein. Dieser Vorwurf aus einem regierungsnahen
türkischen Blatt ist absurd. Das OLG ist in jeder Hinsicht
unabhängig. Es kann und darf sich nicht um die derzeit aufgeregte
Debatte in Politik und Medien scheren. Die Richter der zuständigen
Strafkammer müssen die Vorwürfe gegen die fünf Angeklagten prüfen,
Angeklagte und Zeugen anhören, die Fakten bewerten und schließlich
ein Urteil fällen. Es muss schon im Vorfeld alles ausschließen, was
später ein Urteil angreifbar machen könnte. Allerdings darf die
Unabhängigkeit des Gerichts nicht mit Blindheit verwechselt werden.
Die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" mit zehn
Toten, neun der Opfer haben ausländische Wurzeln, ist kein
x-beliebiger Fall. Das Münchner OLG agiert nicht im luftleeren Raum
abseits der Gesellschaft. Dass die deutsche und die internationale
Öffentlichkeit sehr genau verfolgen, wie gegen mutmaßliche Täter
beziehungsweise Helfer verhandelt wird, ist gut und richtig. Zu einer
funktionierenden, lebendigen Demokratie gehören nicht nur
Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Gerichte, sondern auch eine
breite Öffentlichkeit und eine kritische Berichterstattung durch
unabhängige Medien. Leider jedoch hat das Oberlandesgericht München
bereits viel Porzellan zerschlagen, ehe der NSU-Prozess überhaupt
begonnen hat. Die Vergabe der Plätze im Zuschauerraum des Gerichts
mag formal in Ordnung sein, klug und der Brisanz des Falles
angemessen ist sie allerdings nicht. Dass Journalisten,
Nachrichtenagenturen und Botschafter aus den Herkunftsländern der
Mordopfer keinen Platz auf den Zuschauerbänken finden sollen, ist




eine krasse Fehlentscheidung, die auch nicht mit der Unabhängigkeit
der Justiz bemäntelt werden darf. Man fragt sich, waren hier wirklich
ahnungslose Justizbeamte am Werk oder die Richter selbst? Auch der
"Lösungsvorschlag" des Münchner OLG-Präsidenten Karl Huber ist nicht
hilfreich. Demnach sollen bereits zugelassene deutsche
Prozessbeobachter ihre Plätze doch bitteschön an die ausländischen
Kollegen überlassen, die vor dem Gerichtssaal warten. Damit schiebt
Huber den Schwarzen Peter an die Journalisten weiter. Wenn die sich
nicht solidarisch verhielten, blieben die ausländischen
Berichterstatter eben draußen. Pech gehabt. Von einem
Gerichtspräsidenten darf man wohl mehr Fingerspitzengefühl, Sinn für
Realitäten und den Willen zu einer echten Lösung erwarten. Ist die
verfahrene Situation überhaupt noch zu retten? Aber natürlich. Es
gibt genügend zielführende Vorschläge, die das OLG aufnehmen könnte,
um die berechtigten Wünsche nach öffentlicher Begleitung des
Prozesses, aber auch die richterliche Unabhängigkeit unter einen Hut
zu bringen. Dazu gehört eine Video-Übertragung in einen anderen Saal
vor ebenfalls akkreditierten Zuschauern von in- und ausländischen
Medien. Oder auch ein völlig neues Vergabeverfahren der
Zuschauerplätze. Man muss nur eine für alle Seiten annehmbare Lösung
auch wirklich wollen. Ãœbrigens, als den mordenden Links-Terroristen
der RAF vor über 30 Jahren der Prozess gemacht wurde, da wurde nicht
nur ein eigenes Hochsicherheitsgefängnis, sondern auch ein eigener
Gerichtssaal gebaut.



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Datum: 29.03.2013 - 21:12 Uhr
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