(ots) - Ein Kommentar von Lars Haider
   Es ist abenteuerlich, was den Menschen in den USA und Europa 
derzeit als Lösungen katastrophaler Staatsverschuldungen verkauft 
wird. Absurde Schuldengrenzen werden immer weiter erhöht, Länder, die
selbst kurz vor dem Bankrott stehen, helfen mit Milliardenpaketen 
anderen, die längst pleite sind. Damit mögen die so genannten Märkte 
für ein paar Tage, vielleicht auch Wochen beruhigt werden. Das 
Grundproblem lösen die Kurzschlusshandlungen in Washington, Brüssel, 
Paris und Berlin nicht. Die westliche Welt befindet sich in einer 
ihren schwersten Krisen. Es geht nicht mehr nur um Schulden, mögen 
die noch so gewaltig und außerhalb des menschlichen 
Vorstellungsvermögens liegen. Es geht um die Idee einer freien, 
demokratisch-marktwirtschaftlich orientierten Welt, die mit ihrer 
Gestaltungskraft und inneren Stärke jahrzehntelang Vorbild für viele 
andere war. Unvorstellbar, dass eine Nation wie die Vereinigten 
Staaten von Amerika mit der Lösung eines Problems überfordert sein 
könnte, und sei es noch so groß. Undenkbar, dass Länder anderer 
Kontinente auf Europa nicht mit Respekt, sondern mit Mitleid sehen. 
Das Modell der westlichen Welt war zwar aus ideologischen Gründen 
angreifbar und wurde angegriffen, funktionierte aber in der Realität 
besser als jedes andere. Bis heute. Jetzt ist nicht nur unser 
Wohlstand, offensichtlich auf Kosten unzähliger kommender 
Generationen gesichert, in Gefahr. Unser gesamtes Bild vom 
Miteinander-Leben, von der Struktur und Organisation eines 
Staates/einer Staatengemeinschaft steht zur Disposition. Wir müssen 
zugeben, dass Europa und Amerika (weit) über ihre Verhältnisse 
gelebt, und damit auch anderen Kontinenten geschadet haben. Wir 
müssen eingestehen, dass wir sehenden Auges in eine Schuldenkrise 
geraten sind, die sich nur noch durch Anstrengungen beherrscht lässt,
die man im wahrsten Sinne des ?Wortes übermenschlich nennen darf. Und
wir müssen begreifen, dass wir selbst jetzt weit davon entfernt sind,
den Kern des Problems ernsthaft ?anzugehen. Denn die entscheidenden 
Fragen sind natürlich nicht, mit welchen Tricks sich Schuldengrenzen 
weiter nach oben dehnen lassen, ob ein Staat überhaupt pleite gehen 
kann oder wie groß ein Rettungspaket sein muss, damit Griechenland 
wirklich überlebt. Entscheidend ist, dass die Länder und ihre 
Regierungen sich endlich damit beschäftigen, wie beziehungsweise 
wofür sie ihr Geld verwenden. Die Geschichte von den leeren Kassen 
ist dabei in vielen Fällen, auf internationaler wie nationaler Ebene,
eine Mär. Die Einnahmen von Ländern oder Gemeinden sind sehr oft, und
vor allem mit Hilfe immer neuer Steuern und Gebühren, gestiegen. Das 
ist nicht das Problem. Das Problem sind die Ausgaben, die noch 
schneller gewachsen sind, und die die Staatsquoten im Westen auf 
Werte getrieben haben, die mancher Planwirtschaft zur Ehre gereichen 
würden. Hier werden sie endlich ansetzen müssen, die Mächtigen in 
Europa und den USA, und künftig vieles infrage stellen, was die DNA 
ihrer Länder in der Vergangenheit ausgemacht hat. Es wird um den 
amerikanischen Verteidigungsetat gehen, um das französische 
Renteneintrittsalter, um das deutsche Sozialsystem. In zwei Worten: 
ums Sparen. Damit verhält es sich in etwa so wie mit dem 
Nichtrauchen. Am besten ist, man lässt die Zigarette von heute auf 
morgen einfach weg, anstatt sich Dutzende Pläne zu überlegen, wie man
langsam davon abkommen könnte. Das ist, um wieder über das Geld zu 
sprechen, zwar eine harte Methode. Aber leider auch die einzige, die 
einen dauerhaften Ausweg aus der derzeitigen Krise verspricht. Und 
dabei nie vergessen: Es geht nur vordergründig um Schulden. 
Tatsächlich geht es um Freiheit und Unabhängigkeit.
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