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Spendenskandal

ID: 378102

Neuer Spendenskandal: Geheime Dokumente aufgetaucht Wofür zahlte die
Versicherungswirtschaft hohe Spenden an die FDP? Genscher und Lambsdorff: Bekannte
Namen unter den Spendenempfängern

(firmenpresse) - Von Marc Schneider, informisten.de

Berlin/München. (27. März 2011). Deutlich früher als bisher bekannt haben deutsche
Versicherungsunternehmen versucht mit hohen Spendenzahlungen an Politiker Einfluss
auf die Gesetzgebung zu nehmen. Das legen nun aufgetauchte Dokumente aus den
1070er-Jahren eines ehemaligen leitenden Angestellten der Münchener Rück nahe, die
auf dem Enthüllungsportal informisten.de veröffentlicht wurden. In den Schriftstücken, die
aus dem Nachlass des ehemaligen Justiziars des Konzerns stammen, tauchen unter den
Spendenempfängern viele bekannte Namen auf, darunter der ehemalige
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der ehemalige
Wirtschaftsminister und FDP-Bundesvorsitzende Otto Graf Lambsdorff.

Die Aufzeichnungen stammen vom ehemaligen Justiziar Breinl und waren bei der
Entsorgung seines Nachlasses aufgetaucht. Das insgesamt rund 500 Seiten umfassende
Konvolut belegt eine hochgradige Verfilzung von Versicherungswirtschaft und Politik: So
listet zum Beispiel eine Notiz vom 22. November 1972 mit dem Betreff „Zuwendungen
des Arbeitskreises Private Versicherer an Mitglieder oder Organisationen der FDP im
Jahre 1972“ detailliert Monat, Namen und Spendensumme auf. Laut dem Schreiben von
Breinl an Generaldirektor Horst Jannott hat zum Beispiel im Oktober 1972 Genscher
20.000 D-Mark erhalten, Lambsdorff sogar 25.000 DM. Auf der Liste stehen viele weitere
Namen, wie etwa Dorn (5.000 DM), Ertl (10.000 DM), Gallus (5.000 DM), Mischnick (5.000
DM), Schmidt-Kempten (5.000 DM), Funcke (8.000 DM), Mertes (5.000 DM), Bangemann
(5.000 DM), Dr. Scholl (5.000 DM) und Spitzmüller (5.000 DM). Gezahlt wurde
gewöhnlich an Einzelpersonen, deren Wohlwollen sich die Unternehmen auf diese Weise
sichern wollten. Allerdings wurden auch die Gesellschaft für Europäische Wirtschaftspolitik
„für FDP Nordrhein-Westfalen“ und die Staatsbürgerliche Vereinigung Niedersachsen „für




Graaff Landesverband Baden-Württemberg“ mit 5.000 DM und 10.000 DM bedacht.

Aufsichtsbehörde von Versicherungsunternehmen dominiert

Mit den Spenden wollten die Versicherer offenbar die Empfänger dankbar stimmen –
zum Schaden der Versicherten. Denn im betreffenden Spendenzeitraum bildeten sich
die Preise für Versicherungsleistungen zum großen Teil nicht durch Angebot und
Nachfrage. Der Wettbewerb war in der Branche weitgehend außer Kraft gesetzt. Die
Tarife wurden von der ehemals zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Bundesaufsichtsamt
für das Versicherungswesen (BAV), vereinheitlicht und genehmigt. Brisant dabei: Die BAV
sollte zwar die Belange der Versicherten wahren, wurde aber zu 90 Prozent durch
Versicherungsunternehmen finanziert. Der Rest der Mittel stammte aus dem
Bundeshaushalt. Die Beiräte wurden zudem von den Vertretern der
Versicherungsunternehmen dominiert.

Das BAV bestand bis zum 1. Mai 2002 und ist inzwischen in die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) integriert. Die Spendenzahlungen sollten also
erreichen, dass die Interessen der Versicherungsunternehmen für möglichst hohe Prämien
und kleines Geschäftsrisiko gewahrt bleiben.

Auch CSU- und SPD-Politiker verwickelt

Dass die Spendenzahlungen durchaus zählbare Früchte trugen, belegt ein Dokument von
Breinl an den bayerischen Staatssekretär Reinhold Vöth (CSU) vom 14. Januar 1972.
Offenbar hatte Vöth den Justiziar einen Tag vor einer Haushaltsprüfung schriftlich
gewarnt. In dem Dankesschreiben heißt es: „Die von Ihnen angekündigte Prüfung unseres
Haushalts durch die Regierung von Oberbayern hat am 21. Dezember 1971
stattgefunden und dazu geführt, dass die Regierung meinem Petitum uneingeschränkt
Rechnung getragen hat.“ In den Unterlagen findet sich auch immer wieder der Name des
ehemaligen Bundesfinanzministers Dr. Alexander Möller (SPD). In einem Schreiben an
die Kasse vom 16. Oktober 1972 bittet Breinl um Überweisung von 25.000 DM an „Herrn
Dr. Alex Möller, Karlsruhe, auf dessen Postscheckkonto Nr. 107 120 beim Postscheckamt
Karlsruhe, Verbuchung: Spenden, steuerpflichtig“.

Arbeitskreis Privater Versicherer

Vorausgegangen war ein Telefonat mit Dr. Robert Schwebler von der Karlsruher
Lebensversicherung, der um die mündlich zugesagte Spende bat. Das geht aus einer
Notiz von Breinl an „Herrn Generaldirektor Jannott“ vom 9. Oktober 1972 hervor. In dieser
Notiz heißt es weiter: „Herr Stech wird in Ihrer Antwort auf seinen Spendenvorschlag für
Oktober 1972 gebeten, die Zuwendung an Dr. Möller sofort zu überweisen.“ Bei Stech
handelt es sich um Hermann Stech, den Gründer des „Arbeitskreis Privater Versicherer“,
dem die Spitzenmanager der deutschen Versicherungskonzerne angehörten.
Die nun aufgetauchten Dokumente belegen eindrucksvoll das abgestimmte Vorgehen der
Versicherungsunternehmen und die enge Verflechtung mit der Politik: Otto Graf
Lambsdorff war vor seiner Zeit als Bundesminister unter anderem Mitglied des Vorstandes
der Victoria-Rückversicherung AG. Dr. Alexander Müller wiederum war vor seiner Zeit als
Bundesfinanzminister Generaldirektor der Karlsruher Lebensversicherung. Wegen dieser
Tätigkeit erhielt er auch den Spitznamen „Genosse Generaldirektor“, den er als Titel
seiner Memoiren verwendete. Er ist außerdem Autor des Buches mit dem Titel „Ein
Arbeitsleben für die Assekuranz“.

Unklar ist, ob die prominenten Empfänger die Spenden versteuert und Beträge von mehr
als 10.000 DM dem Präsidium des Deutschen Bundestages gemeldet haben, wie es die
Verhaltensrichtlinien des Parlamentes vorschrieben.

Weitere Informationen: www.informisten.de

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Datum: 31.03.2011 - 12:22 Uhr
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