PresseKat - Deutsche AIDS-Hilfe: Drogenbeauftragte mitverantwortlich für immer mehr Drogentote

Deutsche AIDS-Hilfe: Drogenbeauftragte mitverantwortlich für immer mehr Drogentote

ID: 1489268

(ots) - Wissenschaftlich erprobte Maßnahmen zur
Lebensrettung werden aus ideologischen Gründen nicht angewendet

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU),
und das Bundeskriminalamt (BKA) haben gestern die Zahl der
Drogentoten im Jahr 2016 und ihren Bericht zur "Rauschgiftlage"
vorgestellt. 1.333 "rauschgiftbedingte Todesfälle" wurden demnach im
letzten Jahr registriert - 9 Prozent mehr als 2015. Haupttodesursache
war die Ãœberdosierung von Heroin.

Dazu erklärt Björn Beck vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:

"Anders als Marlene Mortler sagt, hat die steigende Zahl der
Todesfälle nur am Rande mit Legal Highs, steigender Stoffqualität
oder sinkenden Preisen zu tun. Hauptgrund ist die Drogenpolitik im
Bund und vielen Ländern, die auf verschiedene lebensrettende
Maßnahmen bewusst verzichtet."

Wie die gesamte Fachwelt, fordert die Deutsche AIDS-Hilfe seit
langem ein Umdenken in der Drogenpolitik und bei der Justiz.

"Statt sich auf Nebenschauplätzen zu verzetteln und
Drogenkonsumenten immer intensiver strafrechtlich zu verfolgen,
müssen wir in die Lebensrettung investieren", betont Björn Beck.

Öffentliches Bedauern ist scheinheilig

Beck weiter: "Die Drogenbeauftragte steht in der Pflicht, die
wissenschaftlich erprobten Mittel der Lebensrettung und Prävention
der Bundesregierung und den Ländern zu vermitteln. Das alljährliche
öffentliche Bedauern hilft niemandem, sondern verschleiert die eigene
Verantwortung. Man kann es nur noch scheinheilig nennen."

Die ins Spiel gebrachte Zwangsberatung gehört ganz sicher nicht zu
den gebotenen Maßnahmen. "Sie ist fachlich und ethisch unerträglich",
erklärt Beck. "Zwang ist der Weg, der in der Drogenpolitik
gescheitert ist. Hier sieht man sehr deutlich, wie eine ideologische




Herangehensweise wirklich wirksame Interventionen verhindert."

Wirksame Maßnahmen sind längst verfügbar

International besteht unter Expert_innen Konsens darüber, welche
Maßnahmen wirken. Dazu gehören

- Drogenkonsumräume, in denen man unter hygienischen Umständen
konsumieren kann, zu Safer Use beraten wird, Impfungen und Tests
auf Hepatitis angeboten bekommt und im Notfall medizinische
Hilfe erhält
- die Vergabe steriler Konsumutensilien und andere
Präventionsmaßnahmen in Haft (viele der Drogentoten waren
Häftlinge)
- die Abgabe des Opiat-Antagonisten Naloxon auch an Laien, um bei
Ãœberdosierungen lebensnotwendige Hilfe zu leisten
- die Substitutionsbehandlung, die Drogengebraucher_innen sozial
stabilisiert, gesundheitliche Schäden verhindert und
Beschaffungskriminalität senkt.

Dramatische Versorgungslücken

Drogenkonsumräume aber gibt es bislang nur in sechs der 16
Bundesländer. In Bayern, dem Land mit den meisten Drogentodesfällen
(321), und in Baden Württemberg (170) gibt es keinen einzigen
Drogenkonsumraum.

Auch in kleineren Städten und dem Land bleibt Konsumierenden meist
nur die offene Drogenszene oder der Konsum zu Hause, wo im Notfall
keine medizinische Hilfe zur Verfügung steht - von
Infektionsprophylaxe ganz zu schweigen.

Sterile Spritzen sind bundesweit nur in einer einzigen Haftanstalt
erhältlich, Naloxon wird bisher nur vereinzelt durch die Initiative
mutiger Vor-Ort-Projekte vergeben.

Bei der Substitutionsbehandlung schließlich haben erst massive
Versorgungsengpässe und der Druck von Ärzt_innen, Patient_innen und
Fachverbänden dazu geführt, dass die Drogenbeauftragte nach
jahrelangen Verzögerungen substanzielle Veränderungen der
bundeseinheitlichen Richtlinien zur Substitution mit auf den Weg
gebracht hat.

"Es ist erschütternd zu sehen, wie Menschen sterben, weil ihnen
die längst verfügbare Hilfe vorenthalten wird", sagt DAH-Vorstand
Björn Beck.

Strafverfolgung schießt mit Kanonen auf Spatzen

Die "Polizeiliche Kriminalitätsstatistik" weist für 2016 insgesamt
302.594 Rauschgiftdelikte aus,7 % mehr als 2015. Davon entfallen
allerdings gut 76 % (231.926) auf "allgemeine Verstöße gegen das
Betäubungsmittelgesetz", worunter vor allem der Besitz von Drogen
fällt - und hier insbesondere von Cannabis und Zubereitungen (145.915
= 63 Prozent der "allgemeinen Verstöße").

"Seit Jahren schießt man hier mit Kanonen auf Spatzen", kritisiert
Beck. "Diese Strafen begleiten und beeinträchtigen das Leben von
Millionen Menschen, zum Beispiel wenn angestrebte berufliche
Entwicklungen beendet werden - zum Schaden unserer gesamten
Gesellschaft."

Bericht der Drogenbeauftragten: http://ots.de/M9JDF

Informationen über Drogenkonsumräume: http://ots.de/ifa1o

Informationen zu Naloxon: http://ots.de/Lr3Gd



Pressekontakt:
Deutsche AIDS-Hilfe
Holger Wicht
Pressesprecher
Tel. (030) 69 00 87 - 16
holger.wicht(at)dah.aidshilfe.de
www.aidshilfe.de

Original-Content von: Deutsche AIDS-Hilfe, übermittelt durch news aktuell


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Datum: 09.05.2017 - 16:15 Uhr
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