(ots) -
Weit mehr als im Sommer sind Haus- und Grundbesitzer normalerweise
im Winter gefordert, denn dann müssen sie ihre öffentlich
zugänglichen Wege von Schnee und Eis frei halten. Das fällt unter die
Verkehrssicherungspflicht und kann manchmal erheblichen Aufwand
bedeuten - besonders dann, wenn über Wochen hinweg Temperaturen unter
dem Nullpunkt herrschen.
Diese Extra-Ausgabe des Infodienstes Recht und Steuern der LBS
befasst sich mit zehn Urteilen rund um den Herbst- und Winterdienst.
Dabei geht es um ganz grundsätzliche Fragen. Zum Beispiel diese: Wie
breit muss eigentlich ein geräumter Weg sein? Und wie sieht es mit
Streugutresten aus, die auf einem Weg liegen geblieben sind und
ihrerseits eine Gefahr darstellen?
Eine Eigentümergemeinschaft beauftragte einen 82-jährigen Mann
damit, das Schneeräumen zu übernehmen. Er konnte das offensichtlich
nicht in erforderlichem Umfang leisten, jedenfalls ereignete sich ein
Unfall mit Personenschaden. Das Oberlandesgericht Oldenburg
(Aktenzeichen 1 U 77/13) kam im Zivilprozess zu der Entscheidung,
dass die Eigentümergemeinschaft haften müsse. Sie hätte sich
angesichts des hohen Alters des Betroffenen ausdrücklich vergewissern
müssen, ob der Mann auch wirklich in der Lage sei, seine Pflichten zu
erfüllen.
Manche Gehwege sind sehr breit. Ein Verkehrssicherungspflichtiger
muss allerdings in solchen Fällen nicht den kompletten Bürgersteig
räumen. Das wäre zu viel verlangt und außerdem für ein sicheres
Benutzen des Weges durch Passanten gar nicht erforderlich. Das
Landgericht Coburg (Aktenzeichen 41 O 675/13) kam in einem Streitfall
zu dem Ergebnis, dass nur so viel geräumt werden müsse, dass zwei
Personen ohne Schwierigkeiten aneinander vorbei gehen können. Damit
seien die Anforderungen im Winterdienst erfüllt.
Nicht nur Schnee und Eis können für Rutschgefahr sorgen, manchmal
tut das auch eine dichte Decke herabgefallener Blätter. Wenn diese
nass werden, dann entsteht ein schmieriger Belag. Immobilienbesitzer
müssen darauf ein Auge haben. Das Oberlandesgericht Schleswig
(Aktenzeichen 11 U 16/13) wies allerdings darauf hin, dass - ähnlich
wie bei Eisregen oder Schneefall - von einem
Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden kann, ständig
darauf zu achten. Es müsse auch eine Reaktionszeit gewährt werden,
ehe der Betroffene einschreite. Auch könne Laub nicht komplett
entfernt werden.
Im Herbst und Winter sorgen gelegentlich Stürme für große Gefahr.
Sie decken ganze Dächer ab, wenn sie stark genug sind. In einem
zivilrechtlichen Streitfall hatte ein Sturm für einen Astbruch an
einem ansonsten gesunden Baum gesorgt. Doch für einen daraus
entstehenden Schaden, so der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen III ZR
352/13), könne der Grundstückseigentümer nicht verantwortlich gemacht
werden. Das liege nicht im Bereich seiner Einflussmöglichkeiten.
Wenn sich der Winter allmählich verabschiedet, dann liegt
gelegentlich noch Streugut auf den Wegen. Auf diesem Splitt kann dann
wiederum ein Passant oder ein Radfahrer ausrutschen. Wenn allerdings
Anfang April noch Streugut auf dem Weg liegt, dann kann der
Grundstückseigentümer nach Überzeugung des Landgerichts Dessau-Roßlau
(Aktenzeichen 1 S 32/12) nicht automatisch für einen Unfallschaden
haftbar gemacht werden. Denn bis Ende März kann es noch gelegentlich
zu Überfrierungen kommen, die dann das Streugut wiederum erforderlich
machen.
Der Winterdienst darf für Immobilienbesitzer nicht zum
"Winterterror" ausarten. So ist es Passanten durchaus zuzumuten,
angesichts kritischer Wetterverhältnisse selbst auf die Wege zu
achten, die sie begehen. Streulücken seien nämlich auch bei genauer
Vorsorge nicht immer zu vermeiden, stellte der Bundesgerichtshof
(Aktenzeichen III ZR 326/12) fest. Es komme darauf an, dass der
Verkehrssicherungspflichtige seine Aufgabe im Wesentlichen erfülle.
Auch beim Schneeräumen muss ein wenig auf Gleichbehandlung
geachtet werden. Es ist nicht vertretbar, wenn per Hausordnung nur
einige Bewohner eines Mehrfamilienhauses dafür herangezogen werden
sollen. Das Amtsgericht Köln (Aktenzeichen 221 C 170/11) erteilte
deswegen dem Plan eine Absage, dass nur drei im Erdgeschoss wohnende
Parteien und nicht die 21 übrigen Parteien zu Schneeschippe und Besen
greifen sollten.
Besonders gefährlich sind Schneeflächen, die erkennbar (noch)
nicht "behandelt" wurden. In manchen Witterungssituationen können
Wege von einem Moment auf den anderen sehr rutschig sein, ohne dass
der Verkehrssicherungspflichtige eine Chance hätte, sofort dagegen
vorzugehen. Deswegen legte das Oberlandesgericht Naumburg
(Aktenzeichen 5 U 44/11) in einem Urteil ausdrücklich Wert auf die
Aufmerksamkeit der Passanten. Bei unklaren Verhältnissen müssten sie
sich ganz sorgfältig voran tasten oder notfalls Umwege gehen, sonst
liege ein Mitverschulden von ihrer Seite vor.
Ein Laie mag denken, dass es beim Streuen egal sei, welches
Material zum Einsatz kommt - Hauptsache, es macht den Eindruck, dass
dadurch die Rutschgefahr verhindert wird. Doch Gerichte sehen das
nicht so. Wer zum Beispiel Hobelspäne statt des eigentlich dafür
vorgesehenen Streuguts verwendet, der muss bei einem Unfall
mindestens mithaften, wenn nicht die ganze Haftung übernehmen. Im
konkreten Fall war eine Passantin gestürzt und hatte sich den Oberarm
gebrochen. Das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen 6 U 92/12)
bewertete das Streugut als ungeeignet. Im Urteil hieß es: "Hobelspäne
entfalten keine nennenswerte abstumpfende Wirkung." Wegen eines
zusätzlichen Mitverschuldens der Passantin, die besser hätte
aufpassen müssen, hafteten der Verkehrssicherungspflichtige und die
Verunglückte jeweils zur Hälfte.
Mehrere Mieter einer Wohnanlage hatten den Winterdienst nach
entsprechender Beauftragung durch den Eigentümer untereinander
aufgeteilt. Allerdings waren die Regeln nicht so klar, dass jeder
genau gewusst hätte, wann er an der Reihe war. Einer der Mieter
stürzte daraufhin auf ungeräumtem Grund und forderte Schadenersatz
von seinen Mitmietern. Das Oberlandesgericht Naumburg (Aktenzeichen 2
U 77/13) entschied, in solch einer Konstellation sei untereinander
keine Haftung zu ermitteln. Dazu waren die Vereinbarungen zu ungenau
gewesen. Der Verunglückte musste sich also an seine eigene
Krankenversicherung halten.
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