(ots) - Unversehens haben sich die Vorzeichen verkehrt. 
Eben noch Wortführerin eines Schmalspurfortschritts, der 
wirtschaftliche Stärke und Finanzkraft zum alleinigen Kriterium von 
Reformen in der EU macht, sieht sich die Bundesregierung plötzlich in
die Defensive gedrängt. Plötzlich haben die sozial Schwachen in 
Griechenland und auch sonst in der Europäischen Union, die das von 
Berlin dirigierte Reformverständnis als Bedrohung empfinden, eine 
hörbare Lobby. In der OECD, die ein Wachstumsprogramm für den 
Euroraum fordert - so wie die SYRIZA-Regierung es als einzigen Ausweg
aus der Misere für Griechenland sieht. Und mit der OECD sind es 
Weltbank und Internationale Arbeitsorganisation, die - als 
Gesprächspartner der Bundeskanzlerin am Abend - vor dem Treffen 
überraschend deutlich die Erwartung an die deutsche Regierung 
richteten, zur Heilung der Reformfolgen beizutragen, die zu gutem 
Teil von ihr zu verantworten sind, nicht nur in Europa. Selbst 
IWF-Chefin Lagarde war zuletzt durch ein moderates Verständnis für 
Athen aufgefallen. Dies ist ein Beleg, wie schnell auch in drückenden
Zeiten das Wetter umschlagen kann. Manchmal ist es die Vernunft, die 
zur Einsicht verleitet, manchmal Druck. Noch ist eine Einsicht in 
Berlin nicht regierungsoffiziell erkennbar, noch gelten Schäubles 
Parolen - der Druck aber wächst. In den Forderungen Athens, die in 
Berlin als vorlaut empfunden werden, hat dieser Druck hörbar ein 
Ventil erhalten.
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