(ots) - Tausende neu festgestellte Risse in den
Reaktordruckbehältern der beiden belgischen Atomreaktoren Doel 3 und
Tihange 2 haben möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für
sämtliche Atomkraftwerke weltweit. Zwei renommierte
Materialwissenschaftler warnten am Freitag nach ihrer Neubewertung
der Funde davor, die Risse könnten durch ein bisher unbekanntes
Phänomen der Materialermüdung entstanden sein. Davon könnten auch die
deutschen Atomkraftwerke betroffen sein. Greenpeace fordert,
sämtliche 439 Reaktoren weltweit genau zu überprüfen. "Wie so oft bei
Atomkraftwerken wurde die Tragweite des Problems offensichtlich
verkannt", sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von
Greenpeace. "Es ist dringend notwendig, die Risse im Metall ernster
zu nehmen als bisher und weltweit umfangreiche Untersuchungen
durchzuführen."
Atomaufsicht verweigert Greenpeace die Untersuchungsberichte
Als ein mögliches "globales Problem der Atomkraftwerke"
bezeichnete der Leiter der belgischen Atomaufsicht FANC (Federal
Agency for Nuclear Control), Jens Bens, die Risse in den
Druckbehältern. Bens empfiehlt ebenfalls eine globale Untersuchung
der Atomanlagen. Greenpeace hat in Belgien auf Herausgabe aller
Untersuchungsdokumente geklagt und dieses Verfahren im Januar auch
gewonnen. Die belgische Atomaufsicht verweigert jedoch bisher die
Übergabe mit der Begründung, die Papiere zunächst auf etwaige
Verschlusssachen überprüfen zu müssen.
Bereits im Sommer 2012 wurden bei der Revision des belgischen
Reaktors Doel 3 mit Ultraschalluntersuchungen unerwartete feine Risse
im Stahl des Reaktordruckbehälters festgestellt. Wenig später
entdeckten Inspekteure ähnliche Risse im Druckbehälter des Reaktors
Tihange 2. Experten deuteten die Risse als sogenannte
Wasserstoffflocken, Fehleinschlüsse bei der Herstellung des Reaktors.
Daher wurden hauptsächlich alte Herstellungsunterlagen gesichtet.
Eine komplette und genaue Untersuchung der Reaktordruckbehälter blieb
aus. Herstellungsfehler konnten jedoch nicht belegt werden. Die
Atomaufsicht ordnete weitere Tests an und veröffentlichte im Dezember
2014, dass dabei weitere Tausende Risse in den Druckbehältern
gefunden worden waren, deutlich mehr als erwartet. Insgesamt wurden
13.047 Risse im Reaktor Doel 3 und 3149 Risse im Druckbehälter von
Tihange 2 entdeckt.
Der Druckbehälter ist das Herzstück eines Atomreaktors, er
beinhaltet unter anderem die hochradioaktiven Brennelemente, hier
findet die nukleare Kettenreaktion statt. Ein plötzliches Versagen
des Druckbehälters ist in den Auslegungen der Atomreaktoren nicht
vorgesehen und könnte zu katastrophalen Freisetzungen radioaktiver
Strahlung führen.
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