(ots) - Frankreich hält den Atem an. Auch Deutschland ist 
fassungslos über den Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitung 
Charlie Hebdo. Zwölf Menschen sind tot, darunter Cabu, Charb, 
Wolinski und Tignous. Die RUNDSCHAU sprach mit Peter Ronge, 
pensionierter Romanistikprofessor der Uni Münster, Buchautor und 
einer der renommiertesten Karikaturkenner in Deutschland. Der 
80-Jährige hat gestern viele Freunde verloren.
   Von Corinna Karl
   Sie sind seit Jahren mit vielen französischen Karikaturisten 
befreundet, haben Bücher geschrieben und sind Mitglied der deutsch- 
französischen Karikatur-Forschungsgruppe E.I.R.I.S.. Wie gut kannten 
Sie die getöteten Karikaturisten? Ronge: Wir waren Duzfreunde. 
Georges Wolinski und Jean Cabut vor allem. Ich bewundere den Menschen
Cabu sehr. Er hat jahrzehntelang wirklich gute Karikaturen 
gezeichnet. Er hat es nicht leicht gehabt im Leben. Sein Sohn ist an 
Aids gestorben. Wenn ich daran denke, welche Menschen hinter den 
Künstlernamen stehen, die getötet worden sind, macht mich das 
traurig. Wenn ich in Paris war, tauchte ich komplett in diese Szene 
ein. Ich hatte schon wieder eine Reise geplant, weil ich an einem 
Projekt arbeite. Ich soll ein Buch ins Deutsche übersetzen, das sich 
mit dem Thema Karikaturen befasst. Ich wage gar nicht, meine Freunde 
in Paris anzurufen. Wer weiß, wer noch gestorben ist. Bislang kenne 
ich nur die vier Namen. Ich hoffe, es haben viele mir bekannte 
Zeichner überlebt, weil sie von zu Hause aus gearbeitet haben. Ich 
möchte mir gar nicht vorstellen, wer noch unter den Opfern ist. Warum
haben die Terroristen ausgerechnet die Redaktion von Charlie Hebdo 
angegriffen? Ronge: Ausgangspunkt war vor Jahren die Veröffentlichung
der Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung. Es waren schlecht 
gemachte Zeichnungen. Ich konnte die Veröffentlichung damals nicht 
verstehen. Die Redaktion wurde daraufhin schon einmal überfallen und 
angefackelt. Niemand wurde verletzt. Selbst nach diesem Anschlag und 
Drohungen hat man sich nicht kleinmachen lassen. Es wurden weiter 
auch islamkritische Karikaturen veröffentlicht. Ich glaube, allein 
die Tatsache, dass sie damals weitergemacht haben, trieb die Täter 
an. Man hätte sich besser schützen müssen. Man hätte also bessere 
Vorkehrungen treffen müssen? Ronge: Der zentrale Fehler war, dass sie
aus dem Stadtzentrum weggezogen sind, in einen Einzelbau. Eine solche
Zeitung müsste sich an einem Platz niederlassen, wo es belebt und 
nebenan eine Polizeistation ist. Die Sicherheitsvorkehrungen hätten 
sie am alten Standort besser ausbauen können. Was machte die Zeichner
aus? Ronge: Alle Karikaturisten haben ihre eigene Art und Sujets. 
Wolinski beispielsweise hatte in Charlie Hebdo eine feste Seite zu 
füllen. Er wählte häufig sexuelle Themen, zeichnete überwiegend 
nackte Damen. Oft stand da der sexuelle Aspekt im Vordergrund. Das 
hat mir persönlich oft nicht gefallen, obwohl ich sehr wohl gerne gut
gemachte Karikaturen nackter Damen mag. Cabu war sehr vielseitig. Er 
hatte zwar keine feste Seite im Blatt, war aber dennoch viel 
vertreten. Beide waren wichtige Säulen des ganzen Ladens. Es ist 
traurig. Charb war Chefredakteur. Er hat auch viel gezeichnet und 
hielt bis zuletzt an den alten Kämpfern wie Cabu fest. Was wird nun 
aus der Zeitung? Ronge: Charlie Hebdo hat wie viele andere Zeitungen 
seit Jahren große wirtschaftliche Schwierigkeiten und kämpft um jeden
Abonnenten. Diese Tragödie, und da bin ich mir sicher, wird die Szene
nur noch mehr zusammenschweißen. Sie wird das Milieu stärken. Aber 
die getöteten Karikaturisten werden der Zeitung fehlen. Es waren 
besondere Leute. Ich bin in Gedanken bei ihnen.
   Mit Peter Ronge
   sprach Corinna Karl
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