(ots) - Freispruch ist Freispruch. Einen Freispruch
zweiter Klasse gibt es nicht. Rechtlich gesehen. Doch tatsächlich ist
das ganz und gar nicht so. Der Fall Gustl Mollath ist dafür ein
eindrucksvolles Beispiel. Das Gericht sieht in ihm einen Gewalttäter,
der seine Frau misshandelt hat, spricht ihn aber dennoch frei. Weil
er im Wiederaufnahmeverfahren nicht schlechter gestellt werden darf
als im vorangegangenen Prozess. Und da - im Jahr 2006 - war er wegen
Schuldunfähigkeit freigesprochen, aber in die Psychiatrie eingewiesen
worden. Dass er diese Art von Freispruch schon siebeneinhalb Jahre
"genossen" habe, beklagte Mollath gestern. Die Verbitterung ist
verständlich, jedoch: Selbst wenn er nach dem Freispruch nicht als
die verfolgte Unschuld in Person gelten kann, als die er nach seiner
spektakulären Entlassung aus der Psychiatrie und dem Erreichen des
Wiederaufnahmeverfahrens erschien - er hat doch sehr viel erreicht.
Für sich, aber auch für die Gesellschaft. Diese schaut hoffentlich
der Justiz und ihren gutachterlichen Helfern nun intensiver auf die
Finger, wenn es um Einweisungen und deren Überprüfungen geht. Die
Debatte hat längst begonnen, die Regeln für die
Zwangsunterbringungen, ihre Dauer und ihre Kontrollen stehen auf der
politischen Tagesordnung. Aber auch für sich selbst hat Mollath
erkämpft, dass er ein freier Mann ist und eine Entschädigung von 50
000 Euro für die als rechtswidrig erkannte Zwangsunterbringung in der
Psychiatrie erhält. Gewiss, der Makel, vom Gericht und damit
offiziell als Gewalttäter bezeichnet zu werden, bleibt an ihm kleben.
Den wird er nicht mehr los. Ein Makel, den nicht nur Mollath nicht
wahrhaben will, sondern auch alle seine Unterstützer, die in ihm gar
zu gern das unschuldige, vom Staat verfolgte Opfer gesehen hätten.
Eine bessere Geschichte wäre das allemal gewesen. Doch so
schwarz-weiß sind eben nur Geschichten, die Realität hat viele
Graustufen. Und dazu zählt auch, dass die vom Gericht durchgeführte
Beweisaufnahme mit ihren Zeugenvernehmungen eine andere Wahrheit vom
Geschehen ergeben hat, als der vom Angeklagten geschilderte
Tathergang. Ein Phänomen übrigens, das zum Strafgerichts-Alltag
gehört.
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