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Mittelbayerische Zeitung: Farbe bekennen - Die Kirche hat eine jahrtausendealte
Tradition. Das allein ist kein Zukunftsgarant. Von Dagmar Unrecht

ID: 1066421

(ots) - Die Lage der katholischen Kirche in Deutschland
ist schwierig. Kirchenaustritte häufen sich. Der Missbrauchskandel
und nicht zuletzt die Verschwendungssucht des ehemaligen Limburger
Bischofs Tebartz-van Elst haben ihr Ansehen schwer beschädigt und
Vertrauen zerstört. Die moralischen Ansprüche, die die Institution
vertritt, sind hoch. So hoch, dass sogar Würdenträger an ihnen
scheitern und sich dennoch der schützenden Hand des Klerus gewiss
sein können. Die Diskrepanz zwischen reiner Lehre und realem Leben
zwingt aber auch einfache Gläubige zu einem Spagat. Denn die
Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Deutschland ist von der Kirche
weit entfernt. Am Sonntag bleiben daher Gotteshäuser leer. Dass
derzeit tausende Christen in Regensburg gemeinsam den Katholikentag
feiern, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche an der
Basis wenig Gehör findet. Dabei sind die Sinnfragen, die sie stellt,
zeitlos. Das Problem liegt bei den Antworten, die die Kirche gibt -
oder auch schuldig bleibt. Die moderne Welt hat ihre eigenen Regeln,
die vor allem den Gesetzen der Märkte folgen. Wir stehen im
Wettbewerb: im Beruf, in der Familie, in der Freizeit. Materielle
Ziele haben einen hohen Stellenwert. Zugleich ist der Wunsch nach
Orientierung, Trost, Beistand und Hilfe in der Not tief im Menschen
verwurzelt. Genau in diesem Spannungsfeld kann Kirche sich
einbringen. Dafür muss sie die Nöte ihrer Schäfchen kennen, Distanz
abbauen und im besten Sinne "Seelsorge" betreiben. Christen wollen
Ernst genommen werden, daher dürfen umstrittene Themen nicht außen
vor bleiben: zum Beispiel der Umgang mit wiederverheiratet
Geschiedenen, der Zölibat, die Sexualmoral oder auch die Frage nach
Frauen im Priesteramt. Noch heikler ist aber ein anderer Aspekt: Der
Kirche fehlt Personal. Bischofssitze bleiben unbesetzt, Gemeinden




werden zusammengelegt, viele Pfarrer stehen kurz vor dem Ruhestand.
In der Not werden Seelsorger aus anderen Teilen der Welt geholt. Bei
allem guten Willen stoßen diese oft an ihre Grenzen, vor allem, wenn
sie nicht genügend Sprachkenntnisse mitbringen. Auf Dauer wird die
Kirche nicht darum herum kommen, engagierte Laien weiter einzubinden.
Viele Menschen, die nicht an Gott glauben, interessieren sich dennoch
für Spirituelles oder haben einen diffusen Glauben an eine höhere
Ordnung. Der englischen Schriftsteller und Philosoph Gilbert Keith
Chesterton hat dazu das geflügelte Wort geprägt: Wer nicht an Gott
glaubt, glaubt oft nicht an nichts, sondern an alles Mögliche. Wenn
Kirche auch in Zukunft eine starke Kraft sein will, muss sie solche
Sehnsüchte bündeln. Sie kann ihre Werte materiellem Denken
entgegensetzen und so den Blick auf den Rand der Gesellschaft lenken,
auf die Schwachen und Hilfebedürftigen, die nach reinen
Leistungskriterien gescheitert sind. Kirche kann für das Maßhalten
eintreten, für die gesunde Mitte statt Streben nach Bestmarken. Diese
Aufgabe ist gewaltig. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer
größer und damit die Spannungen innerhalb der Gesellschaft. Da wäre
eine starke Stimme gefragt, doch dafür dürfen Würdenträger sich nicht
in Sakristeien und Klöstern zurückziehen, sondern müssen hinaus auf
die Straße. Der Katholikentag bietet mehr als tausend Veranstaltungen
auch zu heiklen Themen. Das Glaubensfest der Laien ist aber eine
Ausnahmesituation. Eine Kirche, die im Alltag Einfluss ausüben
möchte, sollte mehr sein als Feiertageslieferant und Platzhalter für
Heilig-Abend-Besinnlichkeit. Die Institution hat schon Jahrtausende
überdauert. Wenn das auch in Zukunft so bleiben soll, muss die Kirche
mehr Farbe bekennen.



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Datum: 30.05.2014 - 19:09 Uhr
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