(ots) - Der Korruptionsskandal taucht mit einem Schlag
den maroden Zustand der Türkei in ein grelles Licht. Man braucht gar
nicht genau zu wissen, wer wen bestochen hat, ob Ministerpräsident
Erdogan selbst betroffen ist oder nicht, eines wird ganz deutlich:
Dieser Staat funktioniert nicht wie ein westlicher Staat.
Wahrscheinlich sind die jetzt bekanntgewordenen Fälle von Bestechung
nur die Spitze des Eisbergs. Denn meist kommen sie nicht nur auf
Regierungsebene vor, sondern wären in fast jedem gesellschaftlichen
Bereich aufzudecken, wenn sich denn ein Kläger fände. Korruption ist
ein Querschnittsdelikt. So bringen schwere Erdbeben in solchen
Ländern wie der Türkei an den Tag, dass viele Häuser mit zu wenig
Zement gebaut wurden. Schuld daran ist, dass der Bauherr sparen
wollte und mit Bestechungsgeldern die örtliche Bauaufsicht dazu
bewegte, ein Auge zuzudrücken. Da Bestechung ein Querschnittsdelikt
ist, wirkt es wie Gift, das den gesamten Staatskörper lähmt. Wer
sollte also damit aufräumen? Man kann das in der Türkei jetzt sehr
gut verfolgen. Geht ein Staatsanwalt unerschrocken gegen korrupte
Beamte vor, wird er sofort von höchster Stelle kaltgestellt.
Korruption ist auch wie eine Hydra: Wird ihr ein Kopf abgeschlagen,
wächst an anderer Stelle sofort ein neuer nach. Für die Europäische
Union kann das nur heißen: Vorsicht! Ein Land wie die Türkei wird
auch in Jahrzehnten für einen EU-Beitritt nicht reif sein. Die immer
wieder auflodernde Erweiterungseuphorie darf diese nüchterne
Erkenntnis nicht trüben.
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Klaus Gaßner
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