(ots) - Mit wie viel Hoffnung und dem Versprechen auf
eine strahlende Zukunft war Recep Tayyip Erdogan vor elf Jahren als
türkischer Ministerpräsident angetreten. Getragen von der Euphorie
der breiten Masse war sein Programm Modernisierung, Gerechtigkeit,
eine moderate Islamisierung, die Hinwendung zur EU und nicht zuletzt
ein Ende der Vetternwirtschaft. Geblieben ist davon nichts. Der
größte Korruptionsskandal in der Geschichte des Landes ist nur der
vorläufige Höhepunkt einer Staatskrise, die Erdogan sein Amt kosten
könnte. Denn Ministersöhne und ein Staatsbankchef, die im
Hinterzimmer Millionen aus dubiosen Geschäften horten, passen nicht
zum Saubermann-Image der konservativen Regierungspartei AKP, auf dem
seine Macht fußt.
Deshalb ist seine Kabinettsumbildung auch kein Befreiungsschlag.
Sie zeigt vielmehr die Hilflosigkeit eines Politikers, der als Mann
aus dem Volk angetreten war, aber die Bodenhaftung verlor. Die
Wirtschaft schwächelt, die Loyalität der Armee ist fraglich. Der
Modernisierer von einst entpuppt sich als Reformverweigerer -
angefangen bei der Aufgabe laizistischer Traditionen über den Rat an
alle Frauen, mindestens drei Kinder zu Welt zu bringen, bis hin zur
Abschaffung gemischter Wohnheime. Und seit seiner berüchtigten Kölner
Rede, in der er die türkische Diaspora unverhohlen vor der
Integration in die hiesige Gesellschaft warnte, ist das Verhältnis
nicht nur zu Deutschland gestört. Von einer Anbindung an die EU ist
keine Rede mehr.
Erdogan ist eine Hypothek für sein Land, doch das Volk beginnt
sich zu emanzipieren. Nur mit Härte gelang es ihm im Sommer, die
massive Protestwelle gegen seine Regierung niederzuschlagen, die sich
an einem umstrittenen Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park entzündet
hatte. Auch damals ging es schon um die Verwicklung von Bauwirtschaft
und Staatsbürokratie.
In Wikileaks-Protokollen heißt es, dass die USA Erdogan für einen
korrupten Islamisten halten. Womöglich werden durch den Machtkampf im
islamischen Lager nun auch die Beweise dafür an die Öffentlichkeit
gelangen. Erdogans Stern verglüht. Daran kann auch seine
Säuberungswelle stalinistischer Machart innerhalb der Polizei nichts
mehr ändern.
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