PresseKat - WAZ: Kein Platz in der Herberge. Kommentar von Christopher Onkelbach

WAZ: Kein Platz in der Herberge. Kommentar von Christopher Onkelbach

ID: 999872

(ots) - Simon war neun und musste beim Krippenspiel in der
Schulaula den herzlosen Wirt spielen. Barsch sollte er Maria und
Josef von der Schwelle weisen, so hatte es die Lehrerin mit ihnen
geübt. Also klopfen Maria und Josef: "Wir suchen Unterkunft. Meine
Frau ist schwanger, und ich bin so müde. Bitte gebt uns eine Bleibe."
Und Simon ruft: "Sucht anderswo. Ich habe keinen Platz für euch." Da
schlurfen Maria und Josef traurig davon - und Simon macht einen
wunderbaren Fehler. Er schaut dem Paar lange nach, überlegt und ruft
plötzlich: "Hey, wartet. Ihr könnt heute in meinem Zimmer schlafen."
Simon ist aus der Rolle gefallen. Das Publikum lacht.
Einhunderttausendneunhundertsiebenunddreißigmal klopfte es in diesem
Jahr an den Pforten Deutschlands. So viele Asylanträge zählte das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Asylverfahren enden
meist mit einem Nein, also einer Ablehnung (73 Prozent) oder einer
vorläufigen Duldung (14 Prozent). Die meisten Flüchtlinge kamen aus
dem kriegsgeschüttelten Syrien. Millionen Menschen sind vor
Verzweiflung und Tod auf der Flucht, 10000 nehmen wir auf. Ist das
viel? Zu viel? Oder beschämend wenig? 360 Menschen ertranken im
Oktober vor Lampedusa. In den vergangenen 25 Jahren sind bis zu 20000
Flüchtlinge aus Afrika bei dem Versuch umgekommen, Europas Grenzen zu
überwinden. Genau weiß das niemand. Das Mittelmeer ist zum Massengrab
geworden, auf seinem Grund ruhen Menschenrechte und
Mitmenschlichkeit. Frontex und Eurosur sind Chiffren für die
technisierte Abwehrpolitik Europas. Wer jetzt an das Gebot der
Gastfreundschaft denkt, dem mag einfallen, dass der Begriff auf das
lateinische Hostis zurückgeht, was mit Fremder oder Feind übersetzt
werden kann. Es geht also auch um Abgrenzung, um Angst. Nicht jeder
Gast ist willkommen oder wird gar zum Freund. Wer will das verlangen?




Doch Hilfe in der Not hat auch der Fremde verdient. Einen Gast ins
Haus zu nehmen, bedeutet Gott aufzunehmen, sagt ein Sprichwort. Im
Jahr 2013 hätte es das Heilige Paar womöglich nicht bis nach
Lampedusa geschafft. Die wachsamen Behörden an unseren Grenzen fallen
kaum so wunderbar aus der Rolle wie der kleine Simon.



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Von Lothar Leuschen
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Datum: 23.12.2013 - 19:05 Uhr
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