(ots) - In Europa rät er zu schnellem Schuldenschnitt: 
"Deutschland wird einen Großteil der Hilfsgelder nicht wiedersehen"
   Berlin, 22. Oktober 2013 - Ein halbes Jahr nach der Debatte um 
seine Schuldenregel hat Kenneth Rogoff seine Kritiker scharf 
angegriffen und die umstrittenen Thesen seiner Arbeit verteidigt. 
"Das war keine Debatte. Das war eine haltlose persönliche Attacke, 
von Leuten mit einer starken politischen Agenda", sagte der 
Harvard-Ökonom im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin 'Capital' 
(Ausgabe 11/2013, EVT 24. Oktober). Rogoff sprach von einer 
"Hexenjagd" und einem orchestrierten Angriff von linken Bloggern und 
Lobbyisten "wie in den 50ern unter McCarthy", der seine gesamte 
Arbeit diskreditieren sollte. "Es gab keinen Kampf. Das war ein 
Massaker."
   Kenneth Rogoff hat mit seiner Kollegin Carmen Reinhart in mehreren
Studien den Zusammenhang von Wachstum und Schulden untersucht und 
2010 die These aufgestellt, dass bei einem Schuldenstand oberhalb von
90 Prozent das Wachstum abnimmt. Die Zahl war weltweit bekannt 
geworden - und hatte auch die Sparpolitik in Europa geprägt. Vor 
einem halben Jahr dann hatten drei Ökonomen einen Rechenfehler in 
Rogoffs und Reinharts Arbeit gefunden und die 90-Prozent-Schwelle für
falsch erklärt.
   Rogoff räumt den Rechenfehler zwar ein, verteidigt aber das 
Ergebnis. Der Fehler "war peinlich", so der ehemalige Chefökonom des 
IWF, "aber er hatte keine große quantitative Bedeutung". Er sei 
"aufgeblasen und bewusst falsch interpretiert und polemisiert" 
worden. "Der wichtigste Punkt ist, nach der ganzen polemischen Hitze,
dass mein Kernergebnis steht: Sehr hohe Schulden sind ver-bunden mit 
niedrigerem Wachstum", erklärte er gegenüber 'Capital'.
   Rogoff, der sich in der November-Ausgabe von 'Capital' erstmals 
ausführlich zu dem Streit im April äußert, warnt davor, nun Defizite 
zu verharmlosen, wie es etwa der Nobelpreisträger Paul Krugman nach 
der 90-Prozent-Debatte getan hat. "Wenn irgendjemand denkt, dass 
Rekordschulden in Ordnung sind, dann liegt er falsch. Die Geschichte 
lehrt das Gegenteil", so Rogoff.
   Mit Blick auf die Schuldenkrise in Europa rät Rogoff zu einer 
schnellen Umschuldung. Er glaube nicht, dass Südeuropa ohne einen 
massiven Schuldenschnitt und eine Restrukturierung aus der Krise 
wachsen könne. "Ich muss den Deutschen leider sagen: Ihr werdet euer 
Geld nicht zurückbekommen, nicht alles", sagte Rogoff. "Je früher ihr
einen großzügigen Deal macht, desto besser ist es." Rogoff bezog sich
nicht nur auf Griechenland, sondern ausdrücklich auf die "ganze 
Peripherie" - also auch Länder wie Portugal, Spanien und Irland. "Ich
fürchte, es wird eine soziale Explosion geben, bevor diese Länder aus
der Schuldenkrise wachsen." Neben einer Umschuldung prophezeit der 
Ökonom erneute Kapitalverkehrskontrollen wie bei der Rettung Zyperns,
etwa um Portugal oder Irland zu schützen. Außerdem empfahl er, in 
Europa eine höhere Inflation - drei bis vier Prozent - zuzulassen.
   Rogoff, der mit dem Buch "Dieses Mal ist alles anders" weltweit 
Ruhm erlangte, arbeitet derzeit mit Carmen Reinhart an einer 
Fortsetzung - in der es um Themen wie Wechselkurse, Inflation und 
finanzielle Repression geht.
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Horst von Buttlar, Chefredaktion 'Capital',
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