(ots) - Bundespräsident Joachim Gauck hat den
Regionalzeitungen in Deutschland eine wichtige, die Gesellschaft
prägende Rolle, attestiert. In einem Interview mit der vor 60 Jahren
gegründeten Ostsee-Zeitung (Wochenend-Ausgabe), sagte das
Staatsoberhaupt: "Regionale Medien sind näher an den Alltagsproblemen
dran, können auch besser aktivieren und konkreter benennen, wo
protestiert, aufgebaut oder Hilfe geleistet werden muss." Er halte
Regionalzeitungen nach wie vor für enorm wichtig. Das Leben und die
Probleme der engen Nachbarschaft interessierten oft als erstes. Aber
auch die nationalen und internationalen Themen würden in den
Regionalzeitungen ernsthaft angeboten und vom Leser angenommen. Er
könnte gar nicht ohne Zeitungen sein, gestand Gauck. Selber lese er
zwar eher überregionale Blätter, "aber oft suche ich zusätzlich die
Zeitungen aus der Heimat". Angesichts wirtschaftlicher Probleme sei
es nicht selbstverständlich, dass es deutschlandweit nach wie vor
"ganz hervorragend gemachte und immer noch erfolgreiche
Regionalzeitungen" gebe, betonte der Bundespräsident. In dem
Interview lobte Gauck auch die Entwicklung der ehemaligen Bezirks-
und Regionalzeitungen aus DDR-Zeiten hin zu pluralen deutschen
Regionalblättern. "Als sich 1989 die Menschen erhoben, mochten viele
Journalisten nicht länger die Sklaven der Diktatoren sein", sagte
Gauck. Er erinnerte daran, dass es auch in den Redaktionen gebrodelt
habe. Anstelle der ideologischen Hardliner sei die faire
Berichterstattung getreten. Dabei hätten die abonnentenstarken
SED-Zeitungen überlebt, "weil sie starke Partner aus den
westdeutschen Zeitungsverlagen fanden", sagte Gauck. Die
Ostsee-Zeitung wird von der Verlagsgesellschaft Madsack
herausgegeben. Der Bundespräsident, der zu DDR-Zeiten als Pastor in
Rostock tätig war, erinnerte daran, dass vor der Wiedervereinigung
auf Staats- wie auf Bezirksebene die Dominanz der SED-Zeitungen
staatlich festgelegt gewesen sei, auch durch Papierzuweisungen, durch
staatlich festgesetzte Auflagenhöhe und so weiter. "Diese hatten die
SED-Ansicht bis ins letzte Dorf zu tragen", hob der Bundespräsident
hervor. "Jeder suchte intensiv nach etwas Lesenswertem, besonders im
Sport, im Lokalen. Wichtig: Im Anzeigenteil die Todesanzeigen", so
Gauck. Das Staatsoberhaupt erinnerte sich daran, dass von den
SED-Instanzen selbst Todesanzeigen zensiert worden seien. Er habe
dies selbst erfahren. Als seine Großmutter gestorben sei, konnte er
das Psalm-Wort "Meine Zeit steht in Deinen Händen" nicht in der
Anzeige unterbringen. "Der Verlagsleiter erklärte mir, man mache eine
kommunistische Zeitung. Da sei ein solcher christlicher Text nicht
möglich", sagte Gauck. Viele DDR-Oppositionelle hätten die
SED-Blätter als das gesehen, was sie sein sollten: Akteure im
Klassenkampf. "Es ging nicht um Wahrheit, um Information, sondern um
Prägung, um Einflussnahme zugunsten der herrschenden Macht. Wir
kritischen Geister waren die Feinde dieser Zeitungsherren",
unterstrich der Bundespräsident.
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