(ots) - Ãœber Wochen hat sich die SPD mit der
Bekanntgabe der längst gefallenen Entscheidung für Peer Steinbrück
als Kanzlerkandidat gequält. Nun wurde er überhastet der
Öffentlichkeit vorgestellt. Immerhin kann es sich SPD-Chef Sigmar
Gabriel als Erfolg anrechnen, den erfolgversprechendsten Kandidaten
seiner Partei präsentiert zu haben. Steinbrück ist das einzige
Troika-Mitglied, bei dem sich die Worte "Duell mit Angela Merkel"
nicht übertrieben anhören. Das erklärt im Übrigen auch mehr als alles
andere, warum Gabriel und Frank-Walter Steinmeier auf die Kandidatur
verzichtet haben. Steinbrück hat in seiner Zeit in
Nordrhein-Westfalen und als Bundesfinanzminister auch auf bürgerliche
Milieus eine gewisse Anziehung entwickelt. Er ist Träger des von
liberal-konservativen Wählern vergebenen virtuellen
Helmut-Schmidt-Ordens "Guter Mann, falsche Partei". Die
Kompetenzunterstellung lautet: Steinbrück kann Wirtschaft und
Finanzen. Das ist rechts wie links der Mitte Mangelware und macht ihn
sogar als Chef einer Ampel aus SPD, Grünen und FDP vorstellbar.
Steinbrücks Chancen auf das Kanzleramt sind dennoch gering. Das liegt
weniger an ihm als Person. Seine Popularitätswerte sind im Vergleich
mit Merkel zumindest ordentlich. Steinbrücks Problem könnte vielmehr
seine Partei werden. Ob Rente, Steuererhöhungen,
Wirtschaftsliberalismus - meist stand der Kandidat bis vor kurzem
deutlich rechts von der Mehrheitsmeinung in der SPD. Im Bemühen, die
Unterstützung der Parteilinken zu gewinnen, hat er mittlerweile
zahlreiche Positionen geräumt. Sein Finanzkonzept greift viele
Forderungen des linken Parteiflügels und des möglichen
Koalitionspartners Grüne auf - von den höheren Steuern für Vermögende
bis zur Spaltung von Großbanken in Investment- und Kreditbanken. In
dieser Entwicklung lauert die Gefahr für Steinbrück. Sein
konturenscharfes Profil in Wirtschaftsfragen hat zu seiner
Beliebtheit außerhalb der SPD, allerdings auch zu seiner
Unbeliebtheit innerhalb der SPD beigetragen. Da er für die Erringung
der Kanzlerkandidatur erst einmal die Partei brauchte, hat Steinbrück
seine Konturen unscharf werden lassen. Nicht zu unterschätzen ist
auch ein weiterer Faktor: Steinbrück ist eitel bis zur
Selbstgefälligkeit. In seinen Reden spitzt er gern zu. Das war für
einen Ex-Finanzminister, Ex-Ministerpräsidenten unproblematischer als
schon für das Troika-Mitglied mit Ambitionen. Für einen Kandidaten
kann es das Ende sein. Rudolf Scharping, der unglückliche
Brutto-netto-Rechner, hat das 1994 erleben müssen. Nun steckt in
Steinbrück zu seinem Glück mehr Schröder als Scharping. Als Kandidat
jedoch steht er unter scharfer Beobachtung. Die zwölf Monate bis zur
Wahl 2013 werden für ihn lang. Am Ende könnte er glatt geschliffen
sein wie ein Kiesel im Fluss. Dann wäre Steinbrück für Wechselwähler
unattraktiv.
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