PresseKat - Börsen-Zeitung: Verquere Logik, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

Börsen-Zeitung: Verquere Logik, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

ID: 711874

(ots) - An den Finanzmärkten bestimmt zurzeit ein
einziges Thema die Agenda: Wann und in welchem Umfang werden die
Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Fed neue
Anleihekaufprogramme starten, um auf diese Weise die Schuldenkrise zu
bewältigen bzw. der lahmen US-Konjunktur auf die Sprünge zu helfen?
Fed-Chairman Ben Bernanke hat auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson
Hole die von den Marktteilnehmern erhoffte Antwort nicht gegeben. Er
bekräftigte lediglich die Absicht der amerikanischen Währungshüter,
der Wirtschaft mit Anleihekäufen unter die Arme zu greifen, wenn dies
notwendig werden sollte. Ein konkretes Kaufprogramm kündigte er
jedoch nicht an.

Mit Spannung warten die Marktteilnehmer nun auf die Sitzung der
EZB am kommenden Donnerstag. EZB-Präsident Mario Draghi hat mit
seiner Ankündigung, die Notenbank werde alles Erforderliche tun, um
den Euro zu erhalten, Erwartungen über umfangreiche
Staatsanleihekäufe geschürt. Allein die Ankündigung hat gereicht, den
unter Druck stehenden Peripheriestaaten Italien und Spanien die
Mittelbeschaffung an den Kapitalmärkten zu deutlich niedrigeren
Zinsen zu ermöglichen.

Allerdings muss Draghi nun auch liefern, um eine neuerliche
Verschärfung der Staatsschuldenkrise zu verhindern. Am Donnerstag
steht er damit vor einer schwierigen Aufgabe. Da das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Rettungsfonds ESM erst am 12. September
fällt, wird Draghi möglicherweise noch nichts Definitives zu
Anleihekäufen sagen. Es wird für ihn daher darauf ankommen, seine
Worte so zu wählen, dass die zuversichtlichen Erwartungen der
Marktteilnehmer trotzdem aufrechterhalten bleiben. Zudem haben die
Euro-Währungshüter die Möglichkeit, mit einer Leitzinssenkung
und/oder neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäften die Märkte bei
Laune zu halten.





Bemerkenswert ist bei alldem die verquere Logik, nach der die
Märkte derzeit agieren. So werden Daten, die ein eher positives Bild
zeichnen, negativ aufgenommen, weil befürchtet wird, dass es doch
nicht zu den erhofften Staatsanleihekäufen der Fed kommen wird. Als
hätte der Aktienmarkt nichts so sehr zu fürchten wie eine florierende
Wirtschaft! Doch wie steht es um die Weltwirtschaft? Die gerade
beendete Woche lieferte eine Reihe negativer Signale, mit denen sich
die Marktteilnehmer ebenso intensiv auseinandersetzen sollten wie mit
der Politik der Notenbanken. So wurden in der asiatisch-pazifischen
Region in sämtlichen führenden Ländern, d.h. China, Japan, Südkorea
und Australien, schwache Konjunkturdaten veröffentlicht. In China
sank der Eisenerzpreis aufgrund deutlich abgeschwächter Nachfrage auf
das tiefste Niveau seit drei Jahren. An der Hongkonger Börse sackten
die Aktien der chinesischen Containerschifffahrtsunternehmen China
Shipping Container Lines und China Cosco ab, nachdem die
Gesellschaften erheblich ausgeweitete Verluste ausgewiesen hatten.

Die Sommer-Rally am Aktienmarkt, die von jener Ankündigung Draghis
ausgelöst wurde, erfolgte vor dem Hintergrund nach unten zeigender
Konjunkturindikationen und Wachstumsprognosen. Dieser Prozess ist
noch nicht abgeschlossen, sodass abzuwarten bleibt, ob die erhoffte
Bodenbildung auch wirklich bald erfolgt. Ein wichtiger und in der
Vergangenheit recht zuverlässiger Indikator für die Weltwirtschaft,
der Massengutfrachtraten abbildende Baltic Dry Index, sank am Freitag
auf 703 Punkte. Das ist kein gutes Omen. In der ersten Juli-Dekade
erreichte er noch Höhen von 1160 Zählern. Nicht gerade beruhigend
auch der jüngste Befund von Moody's. In ihrem aktuellen
weltwirtschaftlichen Ausblick erklärte die Ratingagentur, dass die
Abwärtsrisiken seit dem April noch zugenommen hätten. Neben einer
Verschärfung der Rezession im Euroraum verwies Moody's auf das Risiko
einer harten Landung in großen Schwellenländern wie China und Indien,
eines Ölpreisschocks aufgrund der Konflikte im Mittleren Osten und in
den USA Anfang 2013 drohender Haushaltskürzungen.

Vor diesem Hintergrund verdienen die Konjunkturdaten der neuen
Woche mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie die Notenbanken.
Dazu zählt insbesondere am Freitag der US-Arbeitsmarktbericht vom
August. Bereits am Dienstag steht der Konjunkturindex des Institute
for Supply Management für das verarbeitende Gewerbe vom August an.
Weist dieser viel beachtete Index einen Wert von mehr als 50 Punkten
auf, zeigt er Expansion an, unterhalb von 50 Zählern signalisiert er
Kontraktion. Laut Bloomberg erwartet der Konsens den Index bei 50
nach 49,8 Punkten.

(Börsen-Zeitung, 1.9.2012)



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Datum: 31.08.2012 - 20:55 Uhr
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