(ots) - Timothy Geithners Reise nach Sylt hatte alles
andere als selbstlose Motive. Der US-Finanzminister wollte seinen
Kollegen Wolfgang Schäuble überreden, der Europäischen Zentralbank
lange Leine beim Ankauf von Staatsanleihen zu lassen. Die Deutschen
werden in Washington als Haupthindernis für eine aktivere
Geldmarktpolitik der EZB gesehen. Hinter Geithners Mission steckt das
Kalkül des Weißen Hauses, dass ein Anhalten der Euro-Krise die
Aussichten auf eine Erholung der US-Konjunktur zurückhält und damit
die Wiederwahl Präsident Obamas gefährdet wird. Tatsächlich verhalten
sich Europa und die USA wie kommunizierende Röhren. Sie sorgen
wechselseitig dafür, dass die wirtschaftlichen Wachstumsraten auf
vergleichbar niedrigem Niveau bleiben. So verschieden die Krisen in
Euro- und Ami-Land, so vergleichbar sind die Kräfte, die eine
Erholung verhindern, allen voran das fehlende Vertrauen in die
Akteure. Die Politiker auf beiden Seiten des Großen Teichs aber
vermitteln den Eindruck des Durchwurschtelns. Europa fehlen die
politischen Institutionen, um die notwendigen Maßnahmen zu begleiten.
In den USA verhält sich die Opposition wie im Parlamentarismus
ungeachtet der Tatsache, dass die politische Ordnung der USA auf
Kompromissen basiert. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche.
Dringend notwendige Entscheidungen werden vertagt, bis es nicht mehr
anders geht. Was am Ende dabei herauskommt, überzeugt dann niemanden
mehr. Wenn die Weltwirtschaft wieder in eine Rezession zurückfällt,
ist dies mindestens so sehr Ausdruck einer politischen Krise wie
struktureller Probleme auf den Finanzmärkten. Damit der
Konjunkturmotor wieder anspringt, müssen die Regierungen ihre
Hausaufgaben machen. Nur das schafft das Vertrauen, das für neues
Wachstum so dringend gebraucht wird.
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