(ots) - Rufe wie "Hängt ihn auf", "Steinigt ihn" gibt
es also nicht nur in Wildwest-Filmen oder in Riad, sondern auch in
Emden, Ostfriesland, wo die versammelte Rachsucht sich über einen
unschuldigen Kapuzenpulli-Jüngling im Polizeigewahrsam hermachen
wollte. Es bleibt eben doch eine menschliche Konstante: Der Lack der
Zivilisation ist hauchdünn. Ein Kratzer nur, schon zeigt sich der
Homo sapiens als Kreatur. Nicht nur der Strafverteidiger und
Bestsellerautor von Schirach weiß: Gelegenheit macht Mörder, und
Tötungsvorsatz hatte nicht nur der noch unbekannte Mädchenmörder von
Emden, sondern auch der durch soziale, teilweise asoziale Netzwerke
aufgewiegelte Lynchjustiz-Mob. Zu schnell werden jetzt Kripo und
Staatsanwaltschaft an den Pranger gestellt, nachdem der zu Unrecht
Verdächtigte dazu nicht länger taugt. Blut war im Wasser, die Haie
(übrigens auch in manchen Medien) wurden rasend. Die Fahnder wollten
einen blitzschnellen Erfolg. Übereifer schade nur, sagt man. Er hat
einem Unschuldigen schwer geschadet. Aber was hätte man Polizei und
Justiz, die Indizien für dringenden Tatverdacht zu haben glaubten,
vorgehalten, wenn sie dem 17-Jährigen die U-Haft erspart hätten?
Emden zeigt leider auch dies: Die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung
ist ein flüchtiges Ding; wirklich nur etwas für Sonntagsreden?
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