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Börsen-Zeitung: Mehrheit fürs Weiterwursteln, Kommentar zum Bundestagsbeschluss über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms ESFS, von Claus Döring.

ID: 490596

(ots) - Mit großer Mehrheit haben sich die deutschen
Volksvertreter fürs Weiterwursteln in der Staatsschuldenkrise
entschieden. Denn weder der bisherige noch der jetzt vom Bundestag
gebilligte Euro-Rettungsschirm EFSF werden die Schuldenkrise beenden.
Mit der Erweiterung des finanziellen Spielraums auf 440 Mrd. Euro -
ein willkürliches und nicht ökonomisch begründbares Volumen - wird
etwas Zeit gewonnen, mehr nicht. Das mag auch für Griechenland
gelten, wo der Offenbarungseid vielleicht nicht morgen, sondern erst
übermorgen kommt. Dann haben die Märkte noch etwas mehr Zeit, auf
Griechenlands Pleite zu spekulieren, und die Banken etwas mehr Zeit,
vor der absehbaren Umschuldung ihre Restbestände griechischer
Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und künftig bei
der EFSF abzuladen.

Die Sorge mancher Parlamentarier und vieler Bürger in diesem
Lande, dass immer weiter im übertragenden Sinne gutes Geld schlechtem
Geld hinterhergeworfen wird, ist nicht unbegründet. Schließlich wird
bereits über die nächste Erweiterung des Rettungsschirms diskutiert,
werden abenteuerliche Hebelkonstruktionen ventiliert, allen Dementis
der deutschen Regierung zum Trotz. Es wäre ja nicht das erste Mal,
dass auch die amtierende Bundeskanzlerin ihr Geschwätz von gestern
nicht mehr interessiert. Angela Merkel mag viel von Stabilitätskultur
reden, ihr Wackelkurs in Sachen Rettungsfondserweiterung seit
Jahresbeginn und ihr Handeln schüren Zweifel.

Die Erweiterung des Rettungsfonds ist ein zusätzlicher Schritt zur
Vergemeinschaftung der Haftung in Euroland und widerspricht damit,
wenn nicht den Buchstaben, so doch dem Geist der Maastricht-Verträge
und schrammt scharf an den vom Bundesverfassungsgericht
eingeschlagenen Pflöcken entlang. Die Politiker der hochverschuldeten
Euro-Länder entziehen sich noch stärker der Disziplinierung durch die




Finanzmärkte. Die Lenkungsfunktion des Zinses wird ausgerechnet für
jene Länder suspendiert, wo sie am nötigsten wäre. Stattdessen hält
der Troika-Tourismus von Internationalem Währungsfonds (IWF), EZB und
EU-Kommission die Öffentlichkeit in Atem und die Märkte in
Unsicherheit.

Dass die EFSF künftig präventiv zur Beruhigung der Märkte
Kreditlinien zusagen kann, und nicht nur im Rahmen eines
Hilfsprogramms, ist die Einladung an die Regierungen der Eurozone,
potenzielle Marktreaktionen auf unsolides Wirtschaften und fehlende
Reformen von vornherein außer Acht zu lassen. Damit wird auch der
verbesserte Sanktionsmechanismus im soeben vom EU-Parlament
verabschiedeten strengeren Stabilitäts- und Wachstumspakt
konterkariert. Denn bei wiederholter Regelmissachtung und unsolider
Finanzpolitik folgt eben nicht die Sanktion durch den Markt, sondern
die Abschirmung durch die EFSF zu sehr vorteilhaften Konditionen.
Diese Option ist ein trojanisches Pferd für die Garantiegeberstaaten
und eine Gefahr für ihre Bonitätsbewertungen.

Das Weiterwursteln im Management der Staatsschuldenkrise lenkt von
der Kernentscheidung ab, vor der die Regierungen in Euroland stehen.
Wenn sie den Euro als Gemeinschaftswährung erhalten wollen, müssen
sie eine Grundsatzentscheidung treffen. Entweder müssen sie sich
rückbesinnen auf die Spielregeln beim Start der Währungsunion und
durch institutionelle Reformen dafür sorgen, dass sie eingehalten
werden. Dazu gehören das Prinzip der fiskalischen Eigenverantwortung
der Staaten, ein weitgehender Haftungsausschluss und die
Disziplinierung ihrer Finanzpolitik durch die Finanzmärkte. Oder aber
sie müssen weit nach vorne springen in Richtung einer Fiskalunion,
bei der finanzpolitische Kompetenzen zumindest teilweise auf die
europäische Ebene übertragen werden. Wege dazwischen führen in die
Krise, wie die zurückliegenden Jahre bewiesen haben.

Die Vorstellung einer europäischen Fiskalunion und der Gedanke an
die Abgabe von Souveränität mag manchen beunruhigen angesichts der
Erfahrungen mit Entscheidungen aus dem fernen Brüssel. Schon der
Begriff einer europäischen Wirtschaftsregierung hat zumindest in
Deutschland die Bürger verschreckt. Deshalb sollte sich die
Kompetenzverlagerung auf das absolute Minimum beschränken,
beispielsweise auf Obergrenzen für die künftige Kreditaufnahme und
auf Eingriffsrechte zur Gewährleistung des Schuldenabbaus. Diese
Eingriffsrechte müssten aber so weit gehen, dass die nationalen
Ebenen ihre fiskalpolitische Souveränität spätestens dann verlieren,
wenn die Defizit- und Verschuldungsgrenzen nicht eingehalten werden.
Das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente würde unter den
Vorbehalt der Zustimmung durch eine zentrale europäische Institution
gestellt.

Im Gegenzug könnte und sollte der Subsidiaritätsgedanke stärker
beachtet werden. Keineswegs wäre mit einer Fiskalunion zwangsläufig
eine Haftungsgemeinschaft oder eine Vereinheitlichung der
Steuerpolitik verbunden. Selbst in den Vereinigten Staaten von
Amerika gibt es keine Haftung des einen Bundesstaates für den
anderen. Wenn Kalifornien das Geld ausgeht, was mit schöner
Regelmäßigkeit geschieht, muss es sich selber helfen. Auch in
Euroland könnten im Rahmen eines strikten Regelwerks für
Verschuldungsobergrenzen also nationale Spielräume zur
Haushaltsgestaltung bestehen.

Für einen solchen Sprung nach vorn zur Sicherung des Euro reicht
es freilich nicht, Kanzlermehrheiten fürs Weiterwursteln zu
organisieren. Man muss die Menschen im Land dafür gewinnen und die
Verfassung ändern.

(Börsen-Zeitung, 30.9.2011)



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Datum: 29.09.2011 - 19:40 Uhr
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