(ots) - Vergebung statt Vergeltung: Überraschend verzichtete
Ameneh Bahrami gestern darauf, ihren Peiniger zu blenden. Das Recht
hatte ihr 2009 ein iranisches Gericht zugesprochen. Die Richter
argumentierten mit dem in der islamischen Scharia verankerten Prinzip
"Auge um Auge".
Wie groß der Schmerz der einst lebenslustigen Frau nach dem
Attentat gewesen sein mag, wie schrecklich das Trauma, einer
Lebensperspektive beraubt zu werden, wie grausam die Erkenntnis, den
Rest des Lebens auf Hilfe angewiesen zu sein - dieses Martyrium
können Außenstehende nur erahnen. Dennoch: "Auge um Auge" klingt nach
tiefstem Mittelalter. Mal abgesehen davon, dass tradiertes religiöses
Recht mit dem international geltenden Völkerrecht und der
Menschenwürde kaum vereinbar ist, wäre eine Vollstreckung des
iranischen Urteils inhuman und grausam. Es käme einer staatlich
abgesegneten Misshandlung und Folter gleich.
Sieben Jahre hat Ameneh Bahrami für diesen Moment der Rache
gekämpft. Was auch immer ihre Beweggründe waren, auf Vergeltung zu
verzichten, ihre Entscheidung zeigt Größe, verlangt Respekt. Denn mit
der Blendung ihres Peinigers hätte sie das Verbrechen nicht
ausgeglichen. Im Gegenteil: Sie hätte sich mit dem Täter auf eine
Ebene begeben, hätte ihn, den grausamen Angreifer, sogar zum Opfer
gemacht.
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