(ots) - Aus historischer Perspektive ist der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sicher im Recht. Die
Sonderrolle, die das Militär in den letzten Tagen des Osmanischen
Reiches errungen und bis jetzt eisern verteidigte, ist nicht mehr zu
rechtfertigen. Generäle, die demokratische und rechtsstaatliche
Prinzipien lange Zeit mit Stiefeln getreten haben, wirken wenig
glaubwürdig, wenn sie in dem Moment, da sie selbst im Gefängnis
landen, nach eben diesen Prinzipien rufen. Das Problem ist indessen
nicht das Schicksal einiger Generäle, sondern die Tatsache, dass
viele Zivilisten mit dubiosen Anschuldigungen und Verhaftungen
mundtot gemacht werden sollen. In der Türkei sind derzeit 44 Generäle
inhaftiert - aber auch 70 Journalisten. Doch das ist nur die Spitze
des Eisberges. Verstärkt wird zu weniger geräuschvollen, aber
effektiveren Methoden der Zensur übergegangen. Dazu gehören
Berufsverbote für Journalisten, Druck auf Medienunternehmer, Filter
im Internet und last but not least der Aufbau einer immer größeren
Hausmacht von regierungstreuen Medien. Die Folgen der Kapitulation
der Armeeführung vor Erdogan sind noch nicht abzusehen. Nur eines
steht fest: Dass ein großes und wichtiges Land an der Südostflanke
Europas dabei ist, sich grundlegend zu verändern. Eine Epoche ist zu
Ende gegangen. Nun gilt das Primat der Politik gegenüber dem Militär.
Ob das ein Mehr an Demokratie mit sich bringt, bleibt offen.
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