(ots) - 513 der 600 anwesenden Abgeordneten haben am
Donnerstag der Atomgesetznovelle zugestimmt - das entspricht einem
Anteil von 85,5 Prozent. Ein sattes Ergebnis für einen historischen
Beschluss, den noch vor einem halben Jahr niemand überhaupt für
möglich gehalten hätte. Ganze vier Monate nach der Atomkatastrophe
von Fukushima hat der Bundestag in acht Gesetzen eine Energiewende
auf den Weg gebracht, die in ihrem Anspruch und in ihrer Konsequenz,
aber auch in ihren Anforderungen einzigartig ist in der Welt. Der
30. Juni 2011 markiert den Anfang eines großen energie- und
gesellschaftspolitischen Abenteuers. Sein Ausgang ist ungewiss.
Vieles fußt auf Annahmen, Hochrechnungen, ja auch auf Hoffnungen.
Unstrittig muss sein, dass es sich lohnt, nachhaltig und
ressourcenschonend zu leben. Unsicher jedoch bleibt, ob diesem
Gedanken auch langfristig Rechnung getragen wird. Die Energiewende
bietet nämlich nicht nur die so gern beschworenen Chancen, sondern
auch gewaltige Risiken, Zumutungen und Kosten. Der mit großer
Leidenschaft geführte Streit um das Urheberrecht für den Atomausstieg
ist verständlich angesichts der Schneisen, die das Thema Kernkraft in
den vergangenen 30 Jahren in die politische Landschaft geschlagen
hat. Er war aber nur ein Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen,
die uns bevorstehen - in den Parlamenten und auf den Straßen. Im
Alltagsleben der Menschen wird über die Energiewende entschieden.
Neue, noch größere Windkraftanlagen vor der Tür, Freitrassen über
Hunderte von Kilometern, riesige Pumpspeicherwerke und vor allem eine
Renaissance der fossilen Energieträger samt dem Neubau von Kohle- und
Gaskraftwerken - all das wird quer durch die Republik diskutiert
werden. Streit ist da garantiert, Ärger programmiert. So stellt der
Netzausbau per se schon eine ungeheure Herausforderung dar, wie die
ernüchternden Resultate der vergangenen Jahre belegen. Wie sich
dieser Ausbau nun aber ausgerechnet in Zeiten von Stuttgart 21 und
dem allgemeinen Wunsch nach größtmöglicher Bürgerbeteiligung
beschleunigen lassen sollte, ist vollkommen unklar. Hier wird die
Politik den Menschen sehr viel erklären und ebensoviel abverlangen
müssen. Das erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Beides brauchen
auch die Bürger, die offensichtlich mit so großer Mehrheit für den
Atomausstieg sind. Steigende Strompreise, gravierende Eingriffe in
die Natur, strittige Rechts- und Eigentumsfragen, Endlagersuche,
Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, auch
unsere Lebensweise und unsere Wohlstandserwartung - vieles davon wird
in den nächsten Jahren in Rede stehen. Der Bundestag hat »im Namen
des deutschen Volkes« entschieden. Die Energiewende aber kann in
ihrer Tragweite keine Aufgabe allein der Politik sein, sie ist
Aufgabe für uns alle.
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