(ots) - Jörg Kachelmann ist ein freier Mann. Juristisch
korrekt, aber letztlich unbefriedigend ist diese Entscheidung des
Landgerichts Mannheim. Nicht von ungefähr nennen Juristen
Entscheidungen, in denen nicht über Schuld oder Unschuld befunden
werden konnte, einen Freispruch zweiter Klasse. Ein Tribut an die
Rechtsstaatlichkeit, nicht mehr und nicht weniger. Der spektakuläre,
fast neun Monate und 44 Verhandlungstage lange Prozess hat einiges
verändert in der Republik. Bei weitem nicht zum Guten. Wir erlebten
eine Staatsanwaltschaft, die sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah,
sie sei eine unsägliche Kumpanei mit den Medien eingegangen. In der
Tat verwunderte die Munitionierung einzelner Zeitungen und Magazine
mit Details aus dem Ermittlungsverlauf. Beweisen ließ sich auch das
nicht, was einem Freispruch dritter Klasse gleichkommt. Zu Recht
reagiert die kritische Öffentlichkeit zornig auf die Amerikanisierung
der Arbeit mancher Staatsanwaltschaften und einiger Polizei- und
Justizvollzugsbehörden. Das begann bereits vor dem
Kachelmann-Prozess. Erinnert sei nur an die Zurschaustellung der
Verhaftung von Ex-Postchef Klaus Zumwinkel in seinem Privathaus. Das
voyeuristische Interesse an dem medialen Strahlemenschen Kachelmann,
die zähe Beweisaufnahme, das Stochern im Nebel von Wahrheit und Lüge,
hat die Arbeit der Medien nicht erleichtert. Sie liefen Gefahr,
manche unterlagen ihr auch, sich zum Instrument von Anklage oder
Verteidigung zu machen. Darüber muss die Zunft in sich gehen. Es ist
an der Zeit zu akzeptieren, dass Bettgeschichten anderer Leute
Privatsache sind; auch ihre ausgelebten Sexualphantasien. Solange sie
beidseitig akzeptiert sind. Wenn nicht, sind Richter und
Staatsanwälte gefordert. Kachelmanns Freispruch darf daran nichts
ändern. Diese Gewissheit müssen Vergewaltigungsopfer haben.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten(at)neue-westfaelische.de