PresseKat - DEUTSCHE UNTERNEHMEN IN RUSSLAND: Über einige Tücken der deutsch-russischen Kommunikation

DEUTSCHE UNTERNEHMEN IN RUSSLAND: Über einige Tücken der deutsch-russischen Kommunikation

ID: 380598

Oft müssen wir in unserer Marketing Agentur feststellen, dass unsere Kunden - deutsche mittelständische Unternehmen - den Markteintritt in Russland zwar betriebswirtschaftlich mustergültig geplant, sich jedoch ungenügend mit der interkulturellen Thematik auseinander gesetzt haben. Um zu verstehen, warum dieses wichtige Thema zum Teil vernachlässigt wird, haben wir uns mit einer Expertin auf dem Gebiet deutsch-russische Wirtschaftskommunikation für ein Interview getroffen.

(firmenpresse) - Interview









-Elena, ist es nicht selbstverständlich, dass man sich vor dem Auslandseinsatz bzw. vor dem Markteinstieg in einem fremden Land mit dessen Kultur und Besonderheiten des Geschäftsumfeldes vertraut macht?

Leider nicht - laut Statistik bietet nur ca. 1/3 der Unternehmen interkulturelle Schulungen an, meistens für „exotische“ Regionen wie Asien oder den Mittleren Osten.
Insbesondere wenn die Topmanager bereits über interkulturelle Erfahrungen in anderen
Ländern verfügen, halten viele Unternehmen deren interkulturelle Kompetenz für Russland erstaunlicherweise für selbstverständlich.

Viele Fach-und Führungskräfte erwarten, dass das Potenzial für Missverständnisse auf dem russischen Markt deutlich geringer ist, als in fernöstlichen Ländern wie China oder Indien. Dabei werden die kulturellen Unterschiede zwischen den Deutschen und den Russen oft unterschätzt - daran sind bereits viele aussichtsreiche Projekte gescheitert.

-Man hört oft von der „Sonderstellung" der russischen Kultur, von Russlands Lage zwischen Europa und Asien. Was bedeutet das für die deutsch-russische Geschäftspraxis? Woran soll man sich bei den Geschäften in Russland orientieren, an Europa oder eher an Asien?

Darauf kann man keine eindeutige Antwort geben.
Die Lage zwischen Ost und West ist in der Tat einer der wichtigsten Faktoren, die Russlands Entwicklung so einzigartig geprägt haben. Der russische Historiker W.О. Ključewskij (1841-1911) schrieb: „Historisch gesehen, ist Russland natürlich nicht Asien, geographisch ist es allerdings auch nicht ganz Europa. Es ist Übergangsland, Vermittler zwischen zwei Welten.“
Russland nennt man einen „multikulturellen Schmelztiegel des Ostens" - russische Kultur ist aber keine mechanische Summe von europäischen und asiatischen Einflüssen. Sie wird aus diesem Grund oft als „synthetische Kultur“ bezeichnet – das gilt auch für die Unternehmenskultur.




Deutsche Geschäftsleute sehen zwar oft bei ihren Geschäftskontakten mit den russischen Partnern viele Parallelen zum asiatischen Kulturkreis wie etwa Angst vor Gesichtsverlust, Umgang mit Konflikten oder Kritikverhalten – bei den anderen kulturellen Besonderheiten wie z.B. Kommunikationsstil oder Verhandlungskultur ist Russland nicht so leicht einzuordnen. Eine große Rolle spielen auch individuelle, regionale, Alters- und Bildungsunterschiede ihrer Geschäftspartner.

-Genau hier wollte ich anknüpfen. Laufen wir denn nicht Gefahr, Stereotype zu reproduzieren? Sind hier Verallgemeinerungen überhaupt zulässig?

Sie sind absolut notwendig, vorausgesetzt man hat genug Fingerspitzengefühl, um diese in der konkreten Situation zu relativieren. Ausländische Topmanager bewegen sich – sei es Verhandlungen oder Personalführung – in einem kulturellen Spannungsfeld, so dass das Bedürfnis nach Tipps – trotz der Gefahr Klischees zu reproduzieren – ziemlich hoch ist.

Dass sich diese Orientierungshilfe bewährt und der erlebte Stress tatsächlich reduziert wird, zeigen unter anderem zahlreiche Rückmeldungen der Expats in Russland, aber auch die Umfragen in den Unternehmen, welche die „Verallgemeinerungen“ in konkreten Arbeitssituationen immer wieder bestätigen.

-Kann man tatsächlich nach zwei oder gar einem Tag Training behaupten, dass man die Erfolgsfaktoren für die Russlandgeschäfte kennt und vor allem in konkreten Projekten auch umsetzen kann? Man kann doch nicht jede Fallgrube voraussehen.

Jede sicher nicht, obwohl die meisten Fallgruben ziemlich typisch sind und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Geschäftsalltag vorkommen werden.
Das Ziel des Trainings ist nicht die typischsten Konfliktsituationen auf dem russischen Markt aufzuzählen, sondern die Zusammenhänge dahinter zu erkennen. Wenn man die historisch- und systembedingten landesspezifischen Regeln (die von russischen Partnern so oft erwähnte „rossijskaja spezifika“) erkennt, beginnt man auch die Logik der russischen Wirtschafts- und Arbeitskultur zu verstehen und somit auch die Ursachen für das Verhalten Ihres Partners.
Ich rate manchmal meinen Seminarteilnehmern in schwierigen Situationen die Worte vom deutschen Sozialpsychologen Alexander Thomas - wie eine Art Mantra - zu wiederholen:
„Wir gratulieren jedem zu seinem Verständnis der russischen Kultur, wenn er als Deutscher bei der Verhandlung mit seinem russischen Geschäftspartner denkt: „Wenn ich in Russland aufgewachsen wäre, hätte ich in dieser Situation genauso gehandelt.““

Auch wenn man sich einen Tag lang Informationen über Russland einprägt, heißt es bei weitem nicht, dass man das vermittelte Wissen auch in täglichen komplexen Situationen umsetzen kann. Daher ist es wichtig, dass das Training eine durchdachte Übungs- und Anwendungsphase enthält: Idealerweise sollte jedes theoretische "Modul" in praktischen Einzel-und Gruppenübungen vertieft werden.

-Wirken denn diese Übungen und Fallbeispiele nicht etwas „konstruiert“?

Bei den Fallbeispielen und Rollenspielen geht es um sich immer wieder wiederholende authentische Geschäftssituationen, die aus den Umfragen in kooperierenden deutschen und russischen Unternehmen gewonnen wurden. Mittlerweilen sind solche Umfragen zu einer Art „Industrie“ geworden, es gibt eine Menge Studien dazu. Allerdings sollte man dabei beachten, dass auch die russische Unternehmenskultur sich im Transformationsprozess befindet. Manch ein „Praxisbeispiel“ wirkt tatsächlich archiviert oder besitzt nur „regionale Gültigkeit“. In Moskau werden z.B. Geschäfte zum großen Teil anders gemacht, als in den entfernteren Regionen.
Ich verwende oft als Trainingsmaterial Erfahrungsberichte meiner Partner, meine eigenen praktischen Erfahrungen oder führe eigene Umfragen durch. So sind etwa Fallbespiele für die Seminare „Umgang mit russischen Gästen“ entstanden - aus Umfragen bei russischen Gästen über ihre Erfahrungen in deutschen Krankenhäusern sowie beim medizinischen Personal der deutschen Kliniken über die typischsten Begegnungssituationen mit russischen Patienten und ihren Angehörigen.

-Was sind laut diesen Umfragen die typischsten potentiellen Konfliktfelder in der Zusammenarbeit zwischen den Deutschen und den Russen?

Es geht immer wieder um die gleichen Themen: Hierarchieverständnis, Zeitmanagement, Arbeits- und Führungsstil, unterschiedliche Kommunikationsstile usw.

-Stichwort Kommunikationsstil: Von welchen konkreten Kommunikationssituationen ist in diesem Fall die Rede?

Praktisch von allen mündlichen und schriftlichen Kommunikationssituationen, vor allem aber von der direkten Kommunikation in Projekten, bei der Personalarbeit (Motivations-strategien, Gruppenverhalten, Mitarbeitergespräche) oder bei der Verhandlungsführung.

-Welche Rolle spielt denn die kulturelle Prägung dabei? Gibt es tatsächlich große Unterschiede zwischen dem „deutschen“ und dem „russischen“ Kommunikationsstil?

Kommunikation ist schon für Menschen gleichen Kulturkreises kompliziert genug. Treffen Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinander, wird die Kommunikation durch kulturelle Differenzen noch komplexer.

Der deutsche Kommunikationsstil ist tendenziell eher direkt, d.h. die Deutschen reden Klartext, wenn sie ihre Meinung oder Kritik äußern. Der russische Kommunikationsstil gilt dagegen als indirekt, d.h. ist eher vorsichtig, diplomatisch. Kritik wird meistens positiv „verpackt“, um den Gesprächspartner nicht zu verletzen. „Schlechte“ Diagnosen werden in russischen Krankenhäusern nicht direkt den Patienten mitgeteilt, sondern den Angehörigen.

Man achtet nicht nur darauf, was gesagt wird, sondern vielmehr darauf, wie und unter welchen Umständen. Aus diesem Grund interpretiert man auch oft einen Hintersinn in die Aussagen deutscher Geschäftspartner hinein.

So wurde ich zum Beispiel einmal als junge Dolmetscherin nach den Verhandlungen über die Lieferbedingungen von dem russischen Delegationsleiter gefragt: „So, Elena, und wie hat er das jetzt gemeint?“. Ich war etwas verblüfft und habe die Aussage des deutschen Verhandlungsführers wörtlich wiederholt. Daraufhin schüttelte mein Gesprächspartner ungeduldig den Kopf: “Was er gesagt hat, habe ich auch gehört. Aber wie hat er das gemeint?!“

-Hängt der Kommunikationsstil nicht etwa von der Generation ab? Kommunizieren denn jüngere Verhandlungspartner nicht anders, als Vertreter der älteren Generation?

Der Kommunikationsstil wird von vielen Faktoren beeinflusst, darunter auch von der eigenen
Verhandlungserfahrung, von der Ausbildung und vom Status des Verhandlungspartners.
Viele deutsche Geschäftsleute behaupten, dass es für sie tatsächlich einfacher ist, mit jüngeren Geschäftspartnern zu verhandeln, weil denen westliche Geschäftspraktiken besser bekannt sind. Je sicherer die eigene Position ist, je mehr Kontakte man vorher mit westlichen Verhandlungspartnern gehabt hat, desto direkter wird auch der Kommunikationsstil.

Aber Vorsicht – auch wenn Ihr junger und versierter Gesprächspartner mit Ihnen Deutsch oder Englisch spricht, heißt es nicht, dass er auch „wie Sie“ denkt. Bei allen Altersgruppen und Typen russischer Verhandlungsführer weist ihr Kommunikationsstil vor allem kulturspezifische Besonderheiten auf.

-… Und die wären?

Im Vergleich zu der deutschen Unternehmenskultur spielt in Russland der Beziehungsaspekt eine viel wichtigere Rolle, und hat – zumindest beim Eintritt ins Gespräch – klaren Vorrang vor kommunikativer Eindeutigkeit.

Überhaupt dient das erste Treffen für russische Geschäftspartner eher dem Kennenlernen, dem Anstreben eines Vertrauensverhältnisses – als Basis für eine spätere erfolgreiche Geschäftsbeziehung.
Die Deutschen werden nach dem üblichen Small Talk oft ungeduldig und wollen möglichst schnell „zur Sache kommen“. Das wird von den Russen wiederum als „typisch deutsch“ empfunden.

-Haben Sie da konkrete Handlungsempfehlungen?

Geduld und ausreichend Zeit mitbringen. Einfach akzeptieren, dass Sie in Russland nicht fünf Termine an einem Tag abhacken können – hier laufen die Geschäfte anders. Auch wenn sich Ihr Partner aus Ihrer Sicht „irrational“ verhält, stempeln Sie ihn nicht gleich zu einem „ungebildeten“ Russen ab, der mit westlichen Verhandlungsstrategien und –techniken nicht vertraut ist. Sie kennen seine Situation nicht und wissen nicht, welche Entscheidungs-instanzen manchmal indirekt mit am Verhandlungstisch sitzen.

Wenn Sie Bedenken an Vorschlägen Ihrer Partner haben oder sie gar ablehnen, drücken Sie das sehr taktvoll und diplomatisch aus – beachten Sie in jedem Fall einen möglichen Gesichtsverlust Ihres Geschäftspartners! Direkte Kritik kann in diesem Fall mehr Schaden anrichten als Erfolg haben. Vergessen Sie nicht: Die Qualität der Beziehung hat oberste Priorität!

Es gibt auch keine wirkliche Trennung zwischen persönlichen und geschäftlichen Beziehungen. Ein deutscher Topmanager, der für die Allianz AG viele Jahre auf dem russischen Markt gearbeitet hat, hat mir mal gesagt: „Eine rein technische Zusammenarbeit, wie wir sie in Deutschland kennen (sie mag auch nicht immer gut und fruchtbringend sein, sie ist aber möglich), ist in Russland eine sehr schlechte Basis und wird von Missverständnissen und Misstrauen geprägt sein. Von daher sollte man sich viel Zeit nehmen, um sein Gegenüber kennen zu lernen und eine persönliche Beziehung aufzubauen.“

Mit anderen Worten, investieren Sie mehr Zeit, schaffen Sie Vertrauen - das zahlt sich später in schnelleren Prozessen und letztendlich im Erfolg Ihrer Unternehmung aus!

-Vielen Dank, Elena, für das interessante Interview. Sicherlich entstehen bei unseren Lesern weitere Fragen, welche sich nur schwer in so einem kurzen Interview beantworten lassen. Mit Ihrer Erlaubnis hinterlasse ich hier deshalb Ihre Kontaktinformationen für weitere Nachfragen.

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Unternehmensinformation / Kurzprofil:

< Agentur Online Marketing Russland>

Die Agentur mit Sitz in Hamburg konzentriert sich auf Marketing und Werbung in Russland sowie Ethnomarketing für Russischsprachige in Deutschland. Zu den Schwerpunkten der Agentur gehören Beratung, Marktforschung sowie spezielle Online-Marketingaktivitäten auf den Gebieten Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenmarketing (SEM), Bannerwerbung und E-Mail-Marketing.

< Über Frau Dr. Elena Minakova-Boblest: >

Dr. Elena Minakova-Boblest ist gebürtige Moskauerin. Sie unterrichtete an der Staatlichen Akademie für internationale Beziehungen Moskau (MGIMO), an der Universität Innsbruck und an der Universität München. Seit vielen Jahren unterstützt sie zahlreiche deutsche und internationale Unternehmen in ihren Geschäftsaktivitäten mit Russland (u.a. Siemens AG, Mannesmann AG, Sony Austria, Südchemie AG, Medical Group, Palfinger AG).

Seit 2006 ist Frau Dr. Elena Minakova-Boblest als selbstständige Seminarleiterin tätig. Ihre Firma „Russland-Kompetenz: Interkulturelles Training&Sprachkurse“ bietet ein breites Spektrum an interkulturellen Trainings und Seminaren zur Vorbereitung auf die Kooperation mit russischen Partnern oder auf einen Russlandeinsatz an.



Leseranfragen:

Interviewteilnehmer:
Dr. Elena Minakova-Boblest
Interkulturelle Beraterin
„Russland-Kompetenz“

Pirmater Str. 17a
DE-81375 München
Tel.: 089/ 710 49 314
http://www.russland-kompetenz.de
info(at)russland-kompetenz.de



PresseKontakt / Agentur:

Interviewer:
Natalia Wittke
Marketing Director
Agentur „Online Marketing Russland“

Immenkamp 10
DE-22159 Hamburg
Tel.: 040/ 334 26 396
http://www.online-marketing-russland.de
info(at)online-marketing-russland.de



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Bereitgestellt von Benutzer: onmarus
Datum: 04.04.2011 - 18:42 Uhr
Sprache: Deutsch
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Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: N. Wittke
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Kategorie:

Unternehmensführung & Management


Meldungsart: Interview
Versandart: Veröffentlichung
Freigabedatum: 05.04.2011
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