(ots) - MissbrauchsfÀlle in der Kirche, an Schulen, in
der Ferienfreizeit, jetzt offenbar im Kinder-Kurheim und im privaten
Umfeld hinter verschlossenen TĂŒren tĂ€glich. Dass sich Erwachsene an
Kindern vergehen, ist mittlerweile trauriger Justizalltag. Aber dass
Kinder andere Kinder sexuell nötigen, demĂŒtigen, missbrauchen? Nein,
es war kein Druckfehler: Einer der RĂ€delsfĂŒhrer der von der DAK
zunÀchst als »erweiterte Doktorspiele auf freiwilliger Basis«
bezeichneten Ăbergriffe in Westerland soll erst neun Jahre alt sein.
Die Zahl der Sexualdelikte unter Jugendlichen hat sich nach Angaben
des Hamburger SexualpÀdagogen Bernd Priebe seit 1990 bundesweit mehr
als verdoppelt. Die Ursachen, so erstaunlich es klingen mag, sind
laut Meinung verschiedener Experten sowohl PrĂŒderie als auch
Sexualisierung. Denn wo unter Jugendlichen nicht offen ĂŒber
SexualitÀt gesprochen werde, treten hÀufiger MissbrauchsfÀlle auf -
vielleicht weil das Kartell des Schweigens sie schĂŒtzt. Andererseits
sei es unbestritten, dass der freie Zugang zu Pornofilmen im Internet
Jugendlichen ein Bild von SexualitÀt vermittelt, das verstört und
ĂŒberfordert. Aber die Bilder sind im Kopf. Nicht einzuordnen, nicht
zu verarbeiten. Sie können sich Bahn brechen, wenn es zu
»Doktorspielen« kommt, wenn die Gruppendynamik das innerlich wohl
empfundene, aber Ă€uĂerlich nicht artikulierte Tabu bricht. Missbrauch
hat es zu allen Zeiten gegeben, auch unter Jugendlichen. Einmal
entdeckt, wurde er oft totgeschwiegen. Das hat sich geÀndert. Aber
selten war es fĂŒr Heranwachsende so schwierig, eine eigene SexualitĂ€t
zu entwickeln. Pornos allzeit verfĂŒgbar im Internet, »Sex sells« als
Maxime der Werbung, im Musik-Video, in Zeitschriften. Was geht, was
geht nicht, bin ich verklemmt, bin ich uncool? Dazu hat sich jetzt
auch Stephanie zu Guttenberg ausgelassen. Es wÀre einfach, ihr Buch
als prĂŒdes Pamphlet gegen die Lust abzutun. Denn genau das ist es
nicht. Sie verdient, ernst genommen zu werden, denn sie Ă€uĂert viele
kluge Gedanken. Leider hat zu Guttenberg sich dazu vorab ein Medium
ausgesucht, das der Doppelmoral leicht zu ĂŒberfĂŒhren ist. In der
»Bild« prĂ€sentierte die Ministergattin AuszĂŒge aus ihrem Buch in
einem publizistischen Umfeld, das tÀglich das von ihr kritisierte
Frauenbild propagiert und auch gerne Geld mit nicht zu ĂŒbersehenden
Sex-Anzeigen verdient. Das Anliegen des Buches mag gut gemeint sein,
das Marketing ist noch nicht einmal gut gemacht. Was bleibt, ist die
Kernthese, dass die Eltern gefordert sind. Das ist so richtig wie
auch schwierig. Denn wenn es um Sex geht, sind sie selten
Ansprechpartner Nummer eins. Trotz der Verantwortung der Schulen und
der Jugendarbeit sind es aber vor allem die Eltern, die sich dieses
Themas annehmen mĂŒssen - bevor fĂŒr ihre Kinder das Internet die
einzige Alternative ist.
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