(ots) - In den USA wurden zehn russische Spione
verhaftet, und der Kalte Krieg scheint wieder auszubrechen. Doch der
Kalte Krieg ist Geschichte. Spionagefälle schaden heute einer
Diplomatie, die auf Kooperation und Vertrauen basieren sollte.
Inzwischen schlägt der Kreml einen Agententausch vor. Das Angebot
kommt einem russischen Schuldanerkenntnis gleich. Der Austausch soll
nun die Beziehung zu Washington entschärfen und die Affäre rasch
beenden. US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Dmitri Medwedew
haben einen »Neustart« gewagt: Gemeinsam will man
Massenvernichtungswaffen verhindern und abschaffen, den Terrorismus
eindämmen, Energiesicherheit gewährleisten und die Umwelt retten.
Weil die USA diplomatische Unterstützung brauchen - in Afghanistan,
im Iran-Konflikt, in Korea und in Nahost, - wollen sie Russland
diplomatisch und strategisch einbinden. Obama nennt Medwedew einen
»Partner und Freund« und bewirtet ihn in seinem Lieblingsrestaurant.
Das ist eine gute Ausgangslage. Dennoch bleibt Medwedew skeptisch: Er
kritisiert die Nato-Osterweiterung, den US-Anti-Raketen-Schild, die
amerikanische Hegemonie und die Umkreisung Russlands durch
US-Militärbasen. Medwedew sieht Russland, die EU und die USA als
»drei Zweige der europäischen Zivilisation«, die gleichberechtigt
zusammenarbeiten sollten. Er beansprucht eine Partnerschaft auf
Augenhöhe und sucht die Anbindung an Europa. Doch Medwedew leidet an
falscher Selbsteinschätzung: Wer Europa zum Maßstab nimmt, muss auch
europäische Standards für Menschenrechte, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit erfüllen. Davon ist Russland weit entfernt. Auch
die eigene Wirtschaft wird überschätzt: Russland hat etwa das
wirtschaftliche Gewicht von Frankreich, und sein Exportanteil bei
Rohstoffen und Energie erinnert an ein Land der Dritten Welt. Mit
etwa 2,5 Prozent des Weltwirtschaftprodukts gehört Russland nicht zu
den führenden Industrienationen. Somit steht Medwedews Heimat auch
wirtschaftlich mit den USA und der EU nicht auf Augenhöhe. Da
Wohlstand und Wachstum im 21. Jahrhundert stark von Forschung und
Entwicklung abhängen, spart Industriespionage Zeit, Geld und
Ressourcen. Neue Patente und Technologien entstehen primär in den
USA. Kein Wunder, dass sich dort fremde Geheimdienste primär auf
Industriespionage konzentrieren. Zum Glück wollen Washington und
Moskau den Spionagefall nicht zur Staatsaffäre aufbauschen. Das ist
vernünftig, denn gute russisch-amerikanische Beziehungen sind auch im
deutschen Interesse: Wir brauchen die Russen - als
Energielieferanten, potentielle Militärpartner und gemäßigte
UN-Diplomaten. Voraussetzung dafür ist jedoch Vertrauen,
Kommunikation und Kooperation. Spionagefälle durchkreuzen diese
Vorsätze. Sie sind ärgerlich und überflüssig.
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