(ots) - Thyssenkrupp und Tata haben die Absicht, ihr
Stahlgeschäft in Europa zu fusionieren. Diese Ankündigung klingt so,
als sei dies der Abschluss von eineinhalb Jahre dauernden, quälend
langen Verhandlungen. Aber das ist nicht der Fall. Der eigentliche
Kraftakt steht Konzernchef Heinrich Hiesinger noch bevor. Er will die
kapitalintensive und zyklische Stahlsparte ausgliedern und
Thyssenkrupp zum Technologiekonzern umbauen, der sich auf das
Geschäft mit Aufzügen, Automobilkomponenten, Großanlagen und
Kriegsschiffen konzentriert.
Hiesinger hat bei dem geplanten Deal zwar den Rückhalt der
Krupp-Stiftung, die mit 23 Prozent der Anteile der größte Aktionär
ist und deren Zweck laut Krupp'schem Vermächtnis die Wahrung der
Einheit des Unternehmens ist. Doch er hat auch einen mächtigen
Gegner. Die einflussreichen Gewerkschafter der IG Metall, die die
Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder stellen, lehnen die Stahlfusion
noch immer ab. Da die Transaktion die Zustimmung des Aufsichtsrats
braucht und da die Durchsetzung unter Einsatz des Doppelstimmrechts
von Aufsichtsratschef Ulrich Lehner ein extremer Kulturbruch wäre,
wird Hiesinger in den kommenden Wochen vor der Abstimmung im
Aufsichtsrat, die im November stattfinden dürfte, erhebliche
Zugeständnisse machen.
Da wäre zunächst die Mitbestimmung nach dem
Betriebsverfassungsgesetz: Sie bliebe nur gewahrt, wenn Thyssenkrupp
dauerhaft einen Anteil von 50 Prozent am geplanten
Gemeinschaftsunternehmen behielte. Außerdem werden die Gewerkschafter
verbindliche Zusagen für Beschäftigung, Standorte und Investitionen
in der Stahlsparte verlangen. Da aber viele Unwägbarkeiten eine Rolle
spielen, nicht zuletzt der Ausstieg Großbritanniens aus der
Europäischen Union, sind solche Zusagen kaum verbindlich zu geben,
ohne ein hohes Risiko für die Aktionäre einzugehen.
Sollte Hiesinger zu große Zugeständnisse machen, wird der
zweitgrößte Aktionär - der allein an der Rendite ausgerichtete
schwedische Finanzinvestor Cevian - mit seinem 15-Prozent-Anteil quer
schießen. Der Vorstandschef ist um seine Position nicht zu beneiden.
Aber wenn ihm der Interessenausgleich gelingt, dann wird die
Stahlfusion ein Befreiungsschlag für Thyssenkrupp. Die Trennung vom
Stahl wird den chronisch eigenkapitalschwachen Konzern bilanziell
entscheidend entlasten und ermöglicht den Aktieninvestoren eine
Neubewertung des Unternehmens als Technologiekonzern. Die Trennung
von den historischen Wurzeln des Traditionskonzerns, wäre ein
vielversprechender Neuanfang.
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