(ots) - Sind 1,5 Mrd. Euro viel Geld? Das kommt auf die 
Perspektive an. Der Betrag ist gigantisch, wenn er als Kontostand 
imaginiert wird. Die Zahl schrumpft aber fast bis zur 
Bedeutungslosigkeit, sobald sie als Preisschild am M&A-Markt 
auftaucht. Denn dort werden ganz andere Summen aufgerufen in Zeiten 
der Notenbank-Geldschwemme. Wie ist es also einzuordnen, wenn die 
Allianz prüft, mehr als 1,5 Mrd. Euro in die Komplettübernahme ihres 
Kreditversicherers Euler Hermes zu stecken? Bei der Antwort auf diese
Frage ist ebenfalls die Perspektive entscheidend. Eine Übernahme wäre
gut und schlecht zugleich. Und das Verwirrende ist auch in diesem 
Fall: Beide Sichtweisen sind berechtigt.
   Gut ist das Herauskaufen des Streubesitzes, weil es sich zum 
aktuellen Euler-Hermes-Kursniveau lohnt. Denn wer sich mit gespitztem
Griffel hinsetzt, der kann beispielsweise ausrechnen, dass das 
eingesetzte Überschusskapital das Ergebnis pro Allianz-Aktie im 
laufenden Jahr um 1,4 Prozent erhöht. In der Zukunft ist sogar mehr 
drin. Denn die Integration in die Allianz-Organisation würde jede 
Menge Kosten senken, und dies nicht nur wegen des Verzichts auf das 
Listing. Es fällt schließlich auf, dass die Kostenquote von Euler 
Hermes seit dem Jahr 2012 kontinuierlich gestiegen ist. Dies ist 
revisionsbedürftig. Zugleich ist die Eigenkapitalrendite in diesem 
Zeitraum um satte 2,4 Prozentpunkte gesunken. Zwar hält der Vorstand 
mit Stellenabbau dagegen. Aber die Allianz könnte weitere Effizienzen
heben, wenn sie den vollen Durchgriff bei Euler Hermes hätte.
   Wechselt man jedoch die Brille des Zahlenschiebers mit der Brille 
des Strategen, fällt das Urteil über die Einkaufstour ganz anders 
aus. Denn die Münchner gewinnen keinen Wettbewerbsvorteil mit der 
Komplettübernahme. Euler Hermes ist mit weitem Abstand Marktführer, 
dementsprechend sind die Wachstumsaussichten beschränkt. Schon heute 
können die Pariser die Allianz-Organisation für ihren weltweiten 
Auftritt nutzen, so dass im Vertrieb kein Durchbruch zu erwarten 
wäre. Kurz: Die strategische Position der Allianz verbessert sich 
nicht.
   Insofern kann eine Euler-Hermes-Komplettübernahme als exemplarisch
gelten für die Lage der Versicherungsindustrie: Weil keine 
strategischen Assets zu akzeptablen Preisen auf den Markt kommen, 
geht es aktuell nur um Optimierungen. Das tut jenen Vorständen weh, 
die den Willen zur Gestaltung mitbringen. Dieser Schmerz ist aber aus
Perspektive der Aktionäre leichter zu ertragen als ihr eigenes Leid, 
wenn überteuerte Gesellschaften erworben werden.
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