PresseKat - ROG: Todesstrafe gegen mauretanischen Blogger nicht vollstrecken

ROG: Todesstrafe gegen mauretanischen Blogger nicht vollstrecken

ID: 1446625

(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) appelliert an
Mauretaniens Oberstes Gericht, die Todesstrafe für den Blogger
Mohamed Cheikh Ould M'Kheitir aufzuheben. Der seit drei Jahren
inhaftierte M'Kheitir wurde Ende 2014 wegen eines vermeintlich
islamkritischen Blogeintrags zum Tode verurteilt. Ein
Berufungsgericht befand ihn inzwischen des Abfalls vom Glauben
(Apostasie) für schuldig. Laut Medienberichten will der Oberste
Gerichtshof in den kommenden Tagen über den Fall beraten und am 31.
Januar das endgültige Urteil verkünden (http://t1p.de/capa).

"Mohamed Cheikh Ould M'Kheitir droht die Hinrichtung, weil er das
Kastensystem in Mauretanien kritisiert hat", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Kritik an sozialen Missständen
darf nicht unter dem Vorwand der Religion verfolgt werden.
Mauretaniens oberste Richter müssen die Todesstrafe gegen M'Kheitir
aufheben und den Blogger von allen Vorwürfen freisprechen."

M'Kheitir hatte einen anonymen Blogpost mit dem Titel "Religion,
Religiosität und Handwerk" auf der Webseite Aqlame veröffentlicht. In
dem Artikel kritisierte er die religiöse Legitimation des
mauretanischen Kastensystems und bezog sich dabei auch auf eine
Überlieferung über das Leben des islamischen Propheten Mohammed
(http://t1p.de/6dyr).

Obwohl die Webseite den Blogpost nach kurzer Zeit löschte, wurde
M'Kheitir am 2. Januar 2014 in der ostmauretanischen Hafenstadt
Nouadhibou festgenommen und ist seitdem in Haft. Die Behörden
begründeten seine Festnahme damit, dass M'Kheitir "respektlose
Kommentare über den Propheten" gemacht und damit die "göttliche
Ordnung" in Frage gestellt habe (http://t1p.de/ml7z). Am 24. Dezember
2014 wurde er nach einem zweitägigen Prozess wegen
Prophetenbeleidigung und Heuchelei zum Tode verurteilt
(http://t1p.de/vc5x).

M'KHEITIR KRITISIERTE KASTENSYSTEM UND SOZIALE DISKRIMINIERUNG





Während des Gerichtsprozesses betonte M'Kheitir, er habe niemals
das Ansehen des Propheten beleidigen, sondern lediglich auf soziale
Missstände aufmerksam machen wollen (http://t1p.de/7oaq). In dem
Blogpost hatte er die Benachteiligung der Kaste der Schmiede
kritisiert, der er selbst angehört.

Nach mauretanischem Recht können Abtrünnige vom Islam innerhalb
von drei Tagen ihre Reue bekunden und zum Glauben zurückkehren.
M'Kheitir betonte seine Treue zum Islam in Haft und vor Gericht
mehrfach und sagte, der Artikel sei ein Fehler gewesen
(http://t1p.de/7xci). Der mauretanische Präsident Mohamed Ould Abdel
Aziz persönlich sagte im April 2014, er glaube nicht, dass M'Kheitir
gewusst habe, wie gravierend seine Äußerungen gewesen seien
(http://t1p.de/ammq).

Dennoch verurteilte das Gericht den Blogger in erster Instanz
wegen Heuchelei, weil seine Reue nicht aufrichtig gewesen sei. Ein
Berufungsgericht urteilte dagegen am 21. April 2016, der
ursprüngliche Vorwurf der Apostasie sei berechtigt. Den Klagepunkt
der Heuchelei gab es zur Prüfung an den Obersten Gerichtshof weiter
(http://t1p.de/fb5j). Dieser vertagte den Prozess im Dezember 2016.
Sollte die Todesstrafe nun bestätigt und vollstreckt werden, wäre
dies die erste Hinrichtung in Mauretanien seit 1987 und das erste
Todesurteil wegen Apostasie seit der Unabhängigkeit 1960.
(http://t1p.de/ml7z).

ISLAMGELEHRTE FORDERN VOLLSTRECKUNG DER TODESSTRAFE

Der Blogpost hatte schon kurz nach seiner Veröffentlichung wütende
Proteste im ganzen Land ausgelöst. Eine Vereinigung von Predigern und
Islamgelehrten forderte in einem religiösen Rechtsgutachten die
Todesstrafe "entsprechend dem Gesetz Gottes" (http://t1p.de/s0eq).
Familienmitglieder und Unterstützer M'Kheitirs sehen sich bis heute
Todesdrohungen ausgesetzt. Seine Eltern beantragten vergangenen Monat
politisches Asyl in Frankreich (http://t1p.de/mieq). Drei seiner
Anwälte legten den Fall wegen Morddrohungen nieder
(http://t1p.de/pmjj).

Nach Angaben seines aktuellen Anwalts wurde M'Kheitir in Haft
gefoltert. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich stetig
(http://t1p.de/7xci). Die US-Organisation Freedom Now erklärte, er
sei an Malaria erkrankt. Mehrfach habe man ihn in der Haft bedroht
oder unter anderem durch vergiftetes Essen versucht, ihn zu ermorden
(http://t1p.de/fb5j).

In den vergangenen Monaten mobilisierten islamistische Bewegungen
tausende Demonstranten, die die Vollstreckung der Todesstrafe
fordern. Der bekannte Dichter Douh Ould Beyrouck kündigte an,
M'Kheitir im Falle einer Freilassung selbst zu ermorden
(http://t1p.de/0s7n).

KASTENSYSTEM BLEIBT SENSIBLES THEMA

In den vergangenen Jahren hat sich die Situation der
Pressefreiheit in Mauretanien insgesamt verbessert: Seit dem Sturz
des langjährigen Präsidenten Maaoya Sid'Ahmed Taya 2005 wurden Zensur
und bürokratische Hürden für die Gründung privater Medien
abgeschafft. 2011 strich das Parlament die Gefängnisstrafe für
Verleumdung aus dem Gesetz. Das Kommunikationsministerium
liberalisierte die Regulierung der Rundfunksender und lizenzierte
zuletzt einige private Sender (http://t1p.de/rtr8).

Dennoch gehen Behörden immer wieder gegen kritische Journalisten
vor. So wurden Jedna Ould Deida, Chefredakteur der Website
Mauriweb.info, und Babacar Baye Ndiaye, Administrator des Portals
Cridem.org, im vergangenen April wegen angeblicher Verleumdung des
Präsidentensohnes Badr Ould Abdel Aziz festgenommen. Sie hatten
berichtet, Abdel Aziz habe auf einen Schafhirten geschossen
(http://t1p.de/qy47). Das Internetgesetz von 2015 ermöglicht ein
restriktives Vorgehen gegen Blogger und Journalisten, die "politisch
sensible Informationen" im Internet verbreiten (http://t1p.de/rtr8).

Insbesondere das Kastensystem ist nach wie vor ein sensibles
Thema. Auch wenn die Sklaverei offiziell seit 1981 verboten ist und
seit 2007 unter Strafe steht, leben nach Angaben des Global Slavery
Index der Stiftung Walk Free nach wie vor mindestens 43.000 Menschen
in Sklaverei. Davon sind insbesondere Kinder betroffen, die in den
Sklavenstatus hineingeboren werden (http://t1p.de/v3ib). Andere
Schätzungen wie die der mauretanischen Bewegung zur Abschaffung der
Sklaverei (IRA) gehen von bis zu einer halben Million versklavter
Menschen aus (http://t1p.de/ply1). Die Mehrheit der Sklaven stammt
aus der Kaste der Schmiede, der auch M'Kheitir angehört
(http://t1p.de/z3fw).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mauretanien aktuell auf
Platz 48 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der
Journalisten in Mauretanien finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/mauretanien.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer/ Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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Datum: 20.01.2017 - 09:45 Uhr
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