(ots) - Köln. Mit einem Appell in letzter Minute will der
Landschaftsverband Rheinland (LVR) die Ausweitung medizinischer
Experimente an Demenzkranken verhindern. Dies berichtet der "Kölner
Stadt-Anzeiger" (Freitag-Ausgabe). Eine Gesetzesänderung, die
"gruppennützige klinische Forschung" an nicht einwilligungsfähigen
Patienten zulässt, soll an diesem Freitag im Bundestag beschlossen
werden. Es bestehe die Gefahr, "dass die hilflosen Menschen zu
Forschungsobjekten degradiert werden", heißt es in einem
parteiübergreifend getragenen Brief von LVR-Direktorin Ulrike Lubek
an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die Abgeordneten
des Bundestags. Dieses Schreiben liegt dem "Kölner Stadt-Anzeiger"
vor.
Die Sprecherin des LVR-Gesundheitsausschusses Marie-Agnes
Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, sprach
von einem Angriff auf die Würde des Menschen und nannte es
"erschreckend, dass Minister Gröhe eine ethisch so schwerwiegende
Reform am liebsten stiekum und unter Ausschluss der Öffentlichkeit
durchs Parlament gebracht hätte". Das geplante Gesetz sei
"inakzeptabel", sagte Strack-Zimmermann dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"Es untergräbt die Selbstbestimmung des Einzelnen und legt das
Schicksal Tausender Demenzkranker, die nicht mehr selbst entscheiden
können, in die Hände anderer." Sie sei froh, dass der LVR als größter
Leistungsträger für Menschen mit Behinderung in Deutschland ihrer
Initiative gefolgt sei "und dem Minister deutlich zu verstehen gibt,
dass der LVR sich gegen ein solches Gesetz stellt".
Allerdings dürfte diesem Widerstand und Ruf nach Ablehnung in der
abschließenden dritten Lesung kein Erfolg beschieden sein. Bereits am
Mittwoch hatten in einer Abstimmung ohne Fraktionsbindung 330
Abgeordnete für einen Antrag u.a. von SPD-Fraktionsvize Karl
Lauterbach votiert, der auch von Gröhe unterstützt wurde. Nur 243
waren dagegen, acht enthielten sich der Stimme. Bleibt es bei diesen
Mehrheitsverhältnissen, können einwilligungsfähige Patienten sich
auch im Fall einer späteren Demenz zu Experimenten bereiterklären,
von denen sie selbst womöglich keinen Nutzen haben. Gröhe bezeichnete
dies als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts und sah die
Schutzstandards als hinreichend an. Kritiker hingegen sprechen von
einer Blanko-Unterschrift.
In ihrem Brief warnt LVR-Direktorin Lubek, dass mit der Novelle
"ein zentrales medizinisch-ethisches Grundprinzip zur Disposition
gestellt" werde. Sie appelliert an die Bundestagsabgeordneten, dem
Gesetzesvorhaben angesichts der ethischen und rechtlichen Bedenken
nicht zuzustimmen. "Es muss weiterhin sichergestellt sein, dass die
Würde und die Sicherheit der Probandinnen und Probanden im
Vordergrund stehen." Das Schutzniveau für eine besonders verletzliche
Patientengruppe müsse in Deutschland "weiter auf hohem Standard
erhalten bleiben".
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