PresseKat - ROG ehrt Syrer als Journalist des Jahres und chinesische Webseite als Medium des Jahres

ROG ehrt Syrer als Journalist des Jahres und chinesische Webseite als Medium des Jahres

ID: 1421775

(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) zeichnet den Syrer Hadi
Abdullah als Journalist des Jahres 2016 aus. Abdullah hat sich als
freier Journalist in gefährliche, von seinen meisten Kollegen
gemiedene Gebiete des Bürgerkriegslandes gewagt, um Vertretern der
Zivilgesellschaft internationales Gehör zu verschaffen. Dabei ist der
29-Jährige mehrmals knapp dem Tod entgangen.

"Durch seine mutige Berichterstattung eröffnet Hadi Abdullah der
Weltöffentlichkeit wichtige Einblicke in die täglichen Nöte der
Menschen in Syrien", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "In
einem Land, in dem unabhängiger Journalismus gleichbedeutend mit
Lebensgefahr ist, hat er sich durch Professionalität und Mut
ausgezeichnet."

Als Medium des Jahres würdigt ROG die chinesische
Informationswebseite 64Tianwang, die von der Regierung in Peking als
"umstürzlerisch" eingestuft wird und deren Reporter große persönliche
Risiken in Kauf nehmen, um ihren Mitbürgern unabhängige Informationen
zugänglich zu machen. Zu den Bürgerjournalisten des Jahres kürte die
Jury das chinesische Paar Lu Yuyu und Li Tingyu. Beide haben
systematisch Streiks und Demonstrationen im ganzen Land dokumentiert
und sind deshalb seit Mitte Juni unter dem Vorwurf der "Störung der
öffentlichen Ordnung" im Gefängnis.

Mit den Preisen ehrt ROG jährlich Journalisten, Medien und
Bürgerjournalisten, die sich in besonderer Weise um die Förderung
oder Verteidigung der Pressefreiheit verdient gemacht haben. Die
diesjährigen Preise werden am Abend bei einer Veranstaltung in
Straßburg verliehen.

JOURNALIST DES JAHRES: HADI ABDULLAH

Der Preisträger Hadi Abdullah brach seine Ausbildung zum
Krankenpfleger ab, um seine Energie der unabhängigen
Berichterstattung aus Syrien zu widmen. In Journalistenkreisen machte
er sich schnell einen Namen als gewissenhafter Reporter, der auch in




gefährliche Landesteile fährt, um Vertreter der Zivilgesellschaft zu
interviewen und zu filmen. Durch seine Berichte über die tagtäglichen
Gräueltaten in Syrien wurde er zur Zielscheibe für regierungstreue
Kräfte wie auch für bewaffnete Rebellengruppen.

Vergangenen Januar wurde Abdullah zusammen mit einem Kollegen
kurzzeitig von der Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front verschleppt
(http://t1p.de/3z0w). Mitte Juni wurde sein Kameramann Chaled al-Issa
bei einem Bombenanschlag auf das Wohnhaus mit ihrer gemeinsamen
Wohnung in Aleppo so schwer verletzt, dass er acht Tage darauf in
einem Krankenhaus in der Türkei starb - kurz, bevor er zur weiteren
Behandlung nach Deutschland verlegt werden sollte
(http://t1p.de/biep). Abdullah selbst trug schwere Verletzungen
davon. Zwei Tage vor dem Bombenanschlag waren beide am Kopf verletzt
worden, als sie über Gefechte in Aleppo berichteten
(http://t1p.de/l3do).

In den mehr als fünfeinhalb Jahren des Konflikts in Syrien sind
dort rund 200 Journalisten und Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit
getötet worden, davon allein 16 in diesem Jahr. Derzeit sitzen
mindestens 26 Medienschaffende in den Gefängnissen des syrischen
Regimes; mindestens 27 werden von anderen Konfliktparteien als
Geiseln gehalten oder gelten als vermisst, darunter sechs
ausländische Journalisten. Wer weiter aus dem Land berichtet, ist
ständigen Drohungen und Schikanen ausgesetzt und riskiert verhaftet,
entführt oder ermordet zu werden. Auf der Rangliste der
Pressefreiheit steht Syrien auf Platz 177 von 180 Ländern. (Weitere
Informationen: www.reporter-ohne-grenzen.de/syrien)

MEDIUM DES JAHRES: 64TIANWANG

Das unabhängige Nachrichtenportal 64Tianwang berichtet mit einem
Netz von Bürgerjournalisten über Menschenrechtsverletzungen in China.
Immer wieder sind seine Mitarbeiter verhaftet oder vor Gericht
gestellt worden, beispielsweise für Berichte über Behördenversagen
nach dem Erdbeben in Sichuan 2008 oder über Protestaktionen wie den
Farbbeutelwurf auf ein überdimensionales Mao-Porträt auf dem
Tiananmen-Platz in Peking 2014. Zuletzt verschleppten die Behörden
Anfang September fünf der Bürgerjournalisten, die über Proteste
während des G20-Gipfels in Hangzhou berichtet hatten; sie sitzen noch
immer im Gefängnis. Mehrfach ist 64Tianwang zum Ziel von
Hackerangriffen geworden.

"In 18 Jahren unserer Tätigkeit hat kein einziger Journalist von
64Tianwang ein von den Behörden vorbereitetes Geständnis
unterzeichnet", betont der Gründer der Webseite, Huang Qi. Ebenso hat
sich bis heute keiner für die Propaganda der Kommunistischen Partei
instrumentalisieren lassen, zu der etwa die Ausstrahlung erzwungener
"Geständnisse" von Regierungskritikern im staatlichen Fernsehen CCTV
oder bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua gehört.

BÃœRGERJOURNALISTEN DES JAHRES: LU YUYU UND LI TINGYU

Die chinesischen Bürgerjournalisten Lu Yuyu und Li Tingyu wurden
nach ihrer Festnahme in der südwestchinesischen Provinz Yunnan am 15.
Juni mehr als drei Wochen an unbekanntem Ort festgehalten, bevor sie
Kontakt mit Anwälten aufnehmen konnten. Weil sie systematisch Streiks
und Demonstrationen im ganzen Land dokumentiert haben, wird ihnen
Störung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen. Im Gefängnis wurden sie
misshandelt; ihnen drohen lange Haftstrafen.

Seit 2012 durchsuchen sie täglich soziale Netzwerke auf
entsprechende Informationen, sammeln und verifizieren Fotos und
Berichte protestierender Arbeiter oder Bürger und veröffentlichen sie
auf einer eigenen Webseite. Nichtregierungsorganisationen und
Wissenschaftler nutzen ihre Daten als Barometer für soziale Unruhen -
ein Tabuthema für die Kommunistische Partei Chinas.

China ist abgesehen von der Türkei das Land mit den meisten
inhaftierten Medienschaffenden weltweit: Derzeit sind dort rund 100
Journalisten und Bürgerjournalisten im Gefängnis. Das
Propagandaministerium steuert die Berichterstattung mit täglichen
Zensurdirektiven; auch das Internet wird umfassend zensiert. Unter
Präsident Xi Jinping hat sich die Unterdrückung kritischer Stimmen
noch einmal deutlich verschärft. Vor wichtigen politischen
Ereignissen werden Blogger und Menschenrechtsaktivisten oft präventiv
festgenommen, um kritische Berichte zu verhindern. Auf der Rangliste
der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 176. (Weitere
Informationen: www.reporter-ohne-grenzen.de/china)

22 NOMINIERTE, DAVON MEHRERE IM GEFÄNGNIS

ROG verleiht den Preis "Journalist des Jahres" seit 1992. Die
Auszeichnung ist in jeder der drei Kategorien mit 2500 Euro dotiert.
Viele der diesjährigen Nominierten kommen aus Ländern, in denen die
Pressefreiheit massiv unterdrückt wird, und haben sich trotz
Strafverfolgung, Drohungen oder Gewalt durch mutige, unabhängige
Berichterstattung ausgezeichnet. Mehrere sitzen wegen ihrer Arbeit im
Gefängnis.

In der Kategorie "Journalist des Jahres" waren nominiert:

- Sejmur Chasi (Aserbaidschan)
- Edouard Perrin (Frankreich/Luxemburg)
- Ismail Alexandrani (Ägypten)
- Jineth Bedoya (Kolumbien)
- Alfred Taban (Südsudan)
- Zaheena Rasheed (Malediven)
- Hadi Abdullah (Syrien)
- Najiba Ayubi (Afghanistan)
- Mahfuz Anam (Bangladesch)

In der Kategorie "Medium des Jahres" waren nominiert:

- Al-Saman (Oman)
- Ferghana (Zentralasien)
- Radio M (Algerien)
- Bawabat al-Wasat (Libyen)
- 64Tianwang (China)
- Agência Pública (Brasilien)
- Gazeta Wyborcza (Polen)

In der Kategorie "Bürgerjournalist des Jahres" waren nominiert:

- Leonardo Sakamoto (Brasilien)
- Lu Yuyu and Li Tingyu (China)
- SOS Médias Burundi (Burundi)
- Ali al-Mearaj (Bahrain)
- Roya Saberi Negad Nobakht (Iran)
- Tania Quintero und Ivan García Quintero (Kuba)

Kurzporträts aller Nominierten finden Sie als PDF zum Download
unter http://t1p.de/35yz.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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Datum: 08.11.2016 - 11:38 Uhr
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