PresseKat - Vor Prozessbeginn: Türkische Justiz muss Anschuldigungen gegen ROG-Korrespondent fallenlassen

Vor Prozessbeginn: Türkische Justiz muss Anschuldigungen gegen ROG-Korrespondent fallenlassen

ID: 1421270

(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die türkische
Justiz auf, sämtliche Anschuldigungen gegen den
Türkei-Korrespondenten der Organisation fallen zu lassen. Erol
Önderoglu muss sich von Dienstag an in Istanbul zusammen mit der
Vorsitzenden der türkischen Menschenrechtsstiftung, Sebnem Korur
Fincanci, und dem Cumhuriyet-Kolumnisten Ahmet Nesin vor Gericht
verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen wegen ihrer
Teilnahme an einer Solidaritätsaktion mit der pro-kurdischen Zeitung
Özgür Gündem "Propaganda für eine terroristische Organisation" vor.
Auch Özgür-Gündem-Chefredakteur Inan Kizilkaya steht von Dienstag an
vor Gericht.

"Dass mit Erol Önderoglu nun ein Mensch selbst auf der Anklagebank
sitzt, der sich sonst immer für andere Verfolgte einsetzt, macht das
ganze Ausmaß der Repression greifbar", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. "Allein für ihre Solidarität mit der verfolgten
pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem drohen Dutzenden Journalisten und
Intellektuellen Haftstrafen. Auf die willfährige türkische Justiz
wagt man für sie kaum noch zu hoffen. Deshalb brauchen Erol Önderoglu
und seine Mitangeklagten größtmögliche internationale Unterstützung,
damit sie ihren Einsatz für die Menschenrechte in der Türkei
fortsetzen können."

Interviewangebot: ROG-Pressereferentin Anne Renzenbrink wird den
Beginn des Prozesses gegen Erol Önderoglu in Istanbul verfolgen und
steht dort am Dienstag im Anschluss an die Sitzung des Gerichts für
Interviews zur Verfügung. Sie wird am Dienstag unter der
Telefonnummer +49-151-70165329 erreichbar sein.

ANSCHULDIGUNGEN WEGEN SOLIDARITÄTSAKTION MIT PRO-KURDISCHER
ZEITUNG

Önderoglu, Fincanci, und Nesin waren am 20. Juni in Istanbul
verhaftet und erst nach zehn Tagen und internationalen Protesten -




unter anderem von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (http://t1p.de/vwsy)
- unter Auflagen freigelassen worden. Ebenso wie mehr als 40 weitere
Journalisten und Prominente hatten sie jeweils für einen Tag
symbolisch den Posten des Chefredakteurs von Özgür Gündem übernommen,
um ihre Solidarität mit der Zeitung zu demonstrieren, die unter immer
stärkerem Druck der Behörden stand (http://t1p.de/q6h3).

Im August ließ ein Gericht die Räume der Zeitung wegen angeblicher
Verbreitung von Propaganda für die verbotene kurdische
Untergrundorganisation PKK versiegeln (http://t1p.de/oz4w), am 29.
Oktober wurde das Blatt per Regierungsdekret endgültig geschlossen.
Chefredakteur Kizilkaya ist seit dem 16. August in Haft
(http://t1p.de/12tj).

Önderoglu werden insbesondere drei am 18. Mai in Özgür Gündem
erschienene Artikel zur Last gelegt, in denen es um Machtkämpfe
innerhalb der türkischen Sicherheitskräfte und Einsätze gegen die PKK
in Südostanatolien ging. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf
die umstrittenen Anti-Terror-Gesetze, die auch immer wieder gegen
Özgür Gündem eingesetzt worden sind.

Erol Önderoglu ist seit 1996 Türkei-Korrespondent von Reporter
ohne Grenzen. Daneben verfasst er die Quartalsberichte der
alternativen türkischen Nachrichtenagentur Bianet zum Stand der
Meinungsfreiheit in der Türkei, arbeitet regelmäßig mit der OSZE
zusammen und ist Vorstandsmitglied von IFEX (International Freedom of
Expression Exchange), einem weltweiten Netzwerk von
Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Meinungsfreiheit
einsetzen.

LANGE LISTE VON PROZESSEN GEGEN JOURNALISTEN

Der Prozess gegen Önderoglu, Financi und Nesin reiht sich ein in
eine lange Liste von Prozessen gegen Journalisten, die auf der
Grundlage der türkischen Anti-Terror-Gesetze strafrechtlich verfolgt
werden. So wird am 16. November der Prozess gegen den ehemaligen
Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung Cumhuriyet, Can Dündar,
und den Hauptstadtbüroleiter des Blattes, Erdem Gül, wegen
angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation
fortgesetzt (http://t1p.de/k6zn).

Dieser Prozess wurde von dem Verfahren abgekoppelt, in dem Dündar
und Gül wegen vermeintlicher Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen
im Mai in erster Instanz zu fünf Jahren und zehn Monaten bzw. zu fünf
Jahren verurteilt wurden. Gegen das Urteil haben beide Berufung
eingelegt (http://t1p.de/x4yn). ROG unterstützt Dündar und Gül seit
einem Jahr intensiv durch Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit sowie
Dündar inzwischen auch mit einem Überbrückungsstipendium und in
Behördenangelegenheiten in seinem derzeitigen Exil in Deutschland.

Ende Oktober begann der Prozess gegen den ehemaligen
Nachrichtenchef des pro-kurdischen Fernsehsenders IMC-TV, Hamza
Aktan. Die Justiz beschuldigt ihn, sich mit Kurznachrichten auf
Twitter an terroristischer Propaganda beteiligt zu haben
(http://t1p.de/550v). Seine Verteidiger machten zu Prozessbeginn
geltend, die Tweets riefen nicht zu Gewalt auf und stammten zum Teil
gar nicht von ihrem Mandanten.

Allein im dritten Quartal dieses Jahres standen in der Türkei laut
Bianet 117 Journalisten wegen Vorwürfen auf Grundlage der
Anti-Terror-Gesetze vor Gericht (http://t1p.de/hac9). Für sie
verlangten die Staatsanwaltschaften insgesamt 880 Jahre und sechs
Monate Haft. Dutzende weitere Journalisten mussten sich wegen
Vorwürfen wie Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer
terroristischen Organisation, Veröffentlichung vertraulicher
Dokumente zur nationalen Sicherheit oder Verunglimpfung des
Präsidenten verantworten. Insgesamt liefen im dritten Quartal
Prozesse gegen 226 Journalisten, denen Haftstrafen von insgesamt 2235
Jahren und vier Monaten drohten.

Schon vor dem Putschversuch hatten Journalisten in der Türkei
massiv unter den zunehmend autoritären Zügen von Präsident Erdogan
und seiner Regierung zu leiden. Seit der Verkündung des
Ausnahmezustands hat die Repression gegen Journalisten ein nie
gekanntes Ausmaß erreicht (http://t1p.de/l7xk). Momentan sitzen
mindestens 130 Journalisten in der Türkei in Haft. Unter dem
Ausnahmezustand kann die Polizei Verdächtige für 30 statt zuvor vier
Tage ohne Haftbefehl festhalten. In den ersten fünf Tagen nach einer
Festnahme kann ihnen der Zugang zu einem Anwalt verwehrt werden.

Die Türkei stand schon vor dem Putschversuch im Juli auf der
jährlichen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 151 von 180
Staaten. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten und Medien
dort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.

WEITERFÃœHRENDE INFORMATIONEN:

- Online-Petition: Vorwürfe gegen Erol Önderoglu fallenlassen:
www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/erol-oenderoglu/
- ROG-Bericht zu den Auswirkungen des Ausnahmezustands auf die
Pressefreiheit: http://t1p.de/l7xk



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

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Datum: 07.11.2016 - 11:49 Uhr
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