(ots) - taz-Kommentar von Jürgen Gottschlich zum Engagement
der Türkei im Nordirak
Jenseits von Mossul
Seit der Angriff auf die irakische IS-Hochburg Mossul Anfang
dieser Woche begann, trommelt der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdogan dafür, seine Armee am Sturm auf die Stadt teilnehmen zu
lassen. Nur mühsam können die USA bislang verhindern, dass die Iraker
und Türken aufeinander losgehen, der irakische Ministerpräsident
Haidar al Abadi sprach bereits von der Gefahr eines neuen
Regionalkrieges. Hintergrund dieser Spannungen ist die Frage, wer in
Mossul eigentlich das Sagen haben soll, wenn der IS einmal aus der
Millionenmetropole vertrieben ist.
Erdogan will auf jeden Fall verhindern, dass schiitische Milizen
der schiitischen Regierung in Bagdad mit Unterstützung des Iran nach
einem Sieg die Kontrolle über das sunnitische Mossul übernehmen.
Abgesehen von eigenen politischen Ambitionen im Nordirak - Mossul
gehört nach Ansicht vieler türkischer Nationalisten eigentlich zur
Türkei - fürchtet er nicht ganz zu Unrecht, dass ein Zugriff
schiitischer Kräfte auf Mossul gleich den nächsten bewaffneten
Konflikt in der Stadt auslösen könnte, mit dem Ergebnis, dass
hunderttausende Sunniten aus Mossul, dann in Richtung türkischer
Grenze flüchten würden.
Das Problem geht aber über Mossul hinaus. Der gesamte Kampf der
Anti-IS-Koalition unter Führung der USA krankt bisher daran, dass
nicht geklärt ist, wer das Vakuum füllen soll, das ein besiegter IS
hinterlassen würde. Bisher gibt es keine legitimierte Vertretung der
im IS-Gebiet lebenden sunnitischen Bevölkerung, deshalb kämpfen auch
immer wieder Mitglieder der Koalition gegeneinander um zukünftigen
Einfluss, statt gemeinsam gegen den IS vorzugehen.
Eine Konferenz die gestern in Paris begann, soll nun klären, wer
zukünftig Mossul regiert und wie die Zukunft in den anderen vom
IS-kontrollierten Gebieten aussehen könnte. Das ist zwar spät, aber
hoffentlich nicht zu spät. Denn ohne eine Klärung dieser Fragen, wird
der IS nicht zu besiegen sein.
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