(ots) - Unter dem Motto "Ja zur Demokratie - Nein zum
Staatsstreich" versammelten sich am Sonntag Zehntausende von
türkischstämmigen Mitbürgern in Köln, um für Recep Tayyip
ErdoÄŸan zu demonstrieren. Kritikern der Kundgebung sei gesagt,
dass sie das aushalten müssen. Die im Grundgesetz niedergelegte
Meinungs- und Versammlungsfreiheit gilt für alle Bürger, auch für die
vor Jahrzehnten aus der Türkei eingewanderten.
Zu einer funktionierenden Demokratie gehört es allerdings auch,
die Entscheidungen einer unabhängigen Justiz zu akzeptieren. Weder
die Organisatoren der Demo in Köln, noch die Vertreter von Erdogan in
Ankara haben das am Wochenende auch nur ansatzweise geschafft:
Vielmehr haben sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
dass der türkische Präsident in Köln nicht per Video live
zugeschaltet werden durfte, als "inakzeptabel" gebrandmarkt. Das
Gericht hatte die Übertragung verweigert, da das von der Polizei aus
Sicherheitsgründen ausgesprochene Verbot eben nicht die
Meinungsfreiheit beeinträchtige.
Anstatt selber auf der Videoleinwand zu sprechen, schickte Erdogan
seinen Sportminister, der in Köln für den türkischen Präsidenten und
die gegen zunehmend in Bedrängnis geratene Opposition in der Türkei
Stimmung machte. Bereits in den vergangenen Wochen hatte Ankara immer
schärfer gegen in Deutschland lebende Erdogan-Kritiker, Kurden und
Anhänger der Gülen-Bewegung gewettert. Die türkische Regierung
bezichtigte gar deutsche Behörden der Unterstützung dieser
Dissidenten.
An der Stelle verwandelt sich die auf demokratischen Grundrechten
beruhende Kundgebung zu einer aus der Türkei gelenkten
Machtdemonstration. Sie erinnert an eine Jagd auf Andersdenkende. Ihr
fehlt jegliche moralische und politische Legitimation. Und mehr noch:
Kundgebungen wie die am Wochenende in Köln gefährden angesichts der
rund drei Millionen türkischstämmiger Mitbürger - von denen viele
Erdogan zwar unterstützen, viele andere ihn aber auch kritisieren -
den inneren Frieden der Bundesrepublik.
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