(ots) - Mit Beschluss vom 15.12.2015 (Az. 7 E 6128/15) hat
das Verwaltungsgericht der Stadt Hamburg aufgegeben, die Bauarbeiten
für die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) am Fiersbarg im
Stadtteil Lemsahl-Mellingstedt einstweilen einzustellen und die
Innutzungnahme der Einrichtung für ca. 1000 Personen zu unterlassen.
Die Einrichtung stellt sich in dem reinen Wohngebiet, das der
Bebauungsplan Lemsahl-Mellingstedt 19 ausweist, als gebietsfremde
Nutzung dar und verletzt daher den Gebietserhaltungsanspruch der
Antragsteller.
Das Verwaltungsgericht Hamburg bestätigt mit dieser Entscheidung
zunächst die ständige Rechtsprechung dahingehend, dass es sich bei
Einrichtungen der öffentlichen Unterbringung von Flüchtlingen und
Asylbewerbern - und, wie das Verwaltungsgericht hinzufügt:
insbesondere bei Erstaufnahmeeinrichtungen - nicht um Wohnnutzung
handelt.
Aufgrund der typischen Nutzungsweise einer Erstaufnahmeeinrichtung
ist auch davon auszugehen, "dass sie in einem reinen Wohngebiet
störend wirken wird." Hierfür ist zum einen auf den mit der
Einrichtung der vorliegenden Größe typischerweise einhergehenden
Ziel- und Quellverkehr abzustellen, zum anderen aber maßgeblich auf
das Stattfinden des sozialen Lebens innerhalb der
Flüchtlingsunterkunft im Freien, was wiederum durch die Enge der
Belegung bedingt ist und mit üblichen Wohnäußerungen nicht
vergleichbar ist. Das Verwaltungsgericht stellt hier erstmals
deutlich auch darauf ab, dass sich, wie die Erfahrungen der letzten
Monate zeigen, Konflikte aufgrund der Unterbringungsenge und der mit
der Fluchtsituation oft einhergehenden geringen Frustrationstoleranz
der Bewohner gerade in Erstaufnahmeeinrichtungen oft lautstark und im
schlimmsten Fall gewalttätig entladen. Es folgt dem Vortrag der
Antragsteller damit umfassend.
Rechtsanwalt Gero Tuttlewski aus der Kanzlei Rechtsanwälte Klemm
und Partner, der die Antragsteller vertritt: "Das Verwaltungsgericht
hat mit dem Beschluss vom 15.12.2015 erstmals anerkannt, dass schon
bei typisierender Betrachtungsweise ein erhebliches Störpotential von
großen Erstaufnahmeeinrichtungen ausgeht. Dass dies tatsächlich so
ist, können wir täglich in der Presse nachlesen und wird durch
parlamentarische Anfragen auch statistisch dokumentiert. Die
Anordnung einer ZEA in einem reinen Wohngebiet dürfte danach generell
rechtswidrig sein."
Etwaige störungsmindernde Besonderheiten einer konkreten
Einrichtung sind erst im Rahmen der Prüfung des baurechtlichen
Rücksichtnahmegebots zu betrachten. In reinen Wohngebieten, in denen
das Bestehen einer gewissen Ruhe bereits in den planerischen
Festsetzungen zum Ausdruck kommt, ist hierfür kein Raum.
Schließlich ergibt sich auch aus den Novellierungen des
Baugesetzbuchs zur Erleichterung der Flüchtlingsunterbringung und aus
den vom Senat immer wieder angeführten polizeirechtlichen
Notstandserwägungen kein gesteigerter Duldungsanspruch der Nachbarn.
Tuttlewski: "Diese Entscheidung zeigt ein weiteres Mal, dass der
Senat die Gesprächsangebote der Anwohner annehmen sollte, statt diese
als Störenfriede zu betrachten. Die Flüchtlingskrise lässt sich nur
gemeinsam mit den Nachbarn bewältigen und nicht gegeneinander. Für
den Steuerzahler ist bedauerlich, dass der Senat hier wahrscheinlich
mehrere Millionen Euro in den Sand gesetzt hat, die an anderer Stelle
schmerzhaft fehlen."
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