(ots) - Das Thema:
Nationale Egotrips statt Flüchtlingshilfe: Zerbricht die EU?
"Das Problem ist nicht ein europäisches Problem, es ist ein
deutsches Problem." Die Polemik des ungarischen Ministerpräsidenten
Orbán zeigt: In der Flüchtlingsfrage ist Europa tief zerstritten.
Während Deutschland in diesem Jahr bis zu 800.000 Flüchtlinge
aufnehmen wird, verweigern sich andere EU-Staaten wie Polen, Ungarn,
aber auch Großbritannien weitgehend dieser humanitären Aufgabe. Sind
diese Länder egoistisch und unsolidarisch oder handeln sie nur
pragmatisch? Ist die viel beschworene europäische Wertegemeinschaft
nur ein leeres Bekenntnis? Droht Europa an der Flüchtlingsfrage zu
zerbrechen?
Gäste
Claudia Roth (B'90/Grüne, Bundestags-Vizepräsidentin)
Wolfgang Bosbach (CDU, Bundestagsabgeordneter)
Rolf-Dieter Krause (ARD-Studioleiter Brüssel)
Michel Friedman (Fernsehmoderator)
Roger Koeppel (Schweizer Journalist)
Richard SulÃk (Slowakischer Europa-Abgeordneter)
Claudia Roth / "Wie Europa agiert, ist ein Wettlauf an
Schäbigkeit. Es kann nicht sein, dass von 28 EU-Staaten nur sechs
bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Dann stirbt der europäische
Gedanke", fürchtet die Grünen-Politikerin. Die Regierungen müssten
endlich eine Antwort auf das Flüchtlingselend finden. Die
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages zeigt sich entsetzt über
die fehlende Hilfsbereitschaft mancher Staaten: "Der Bau eines
Grenzzauns wie in Ungarn ist die Bankrotterklärung eines EU-Landes."
Wolfgang Bosbach / "Deutschland nimmt über 40 Prozent aller
Flüchtlinge auf, die nach Europa gelangen. Das sind fast so viele,
wie die anderen 27 EU-Länder zusammen", kritisiert der
Unionspolitiker und Noch-Vorsitzende des Innenausschusses. Die
Versorgung hunderttausender Flüchtlinge sei eine Herausforderung für
die ganze EU und nicht nur für Deutschland. "Alle Länder der
Europäischen Union - auch die großen Länder, die sich bislang
geweigert haben - müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen", sagt Wolfgang
Bosbach.
Rolf-Dieter Krause / Die Flüchtlingskrise sei "eine große
Belastungsprobe für die EU", sagt der langjährige
Brüssel-Korrespondent der ARD. "Es zeigt sich, dass gemeinsame
Vereinbarungen einfach nicht eingehalten werden - ähnlich wie in der
Euro-Politik." Vereinbarungen würden von vielen Ländern "offenbar nur
noch eingehalten, wenn es ihnen passt". Das liege daran, so
Rolf-Dieter Krause, dass viele Jahrzehnte die EU nur Wohltaten zu
vergeben hatte: "Jetzt hat sie Lasten zu verteilen, und da sieht man,
dass einige die Lasten nicht teilen wollen."
Michel Friedman / "Europas Verhalten in der Flüchtlingskrise ist
eine einzige Kapitulation", sagt der Fernsehmoderator, der einen
Rückfall Europas in alte nationalistische Verhaltensmuster
befürchtet. "Eigentlich steht die EU für Menschenrechte und
Solidarität, aber derzeit sehe ich weder das eine gegenüber
Flüchtlingen noch das andere bei den Mitgliedsstaaten untereinander",
sagt Michel Friedman, der als Neunjähriger nach Deutschland kam, fast
ohne ein Wort Deutsch zu sprechen - eine Erfahrung, die er mit vielen
der jetzt ankommenden Flüchtlingen teilt.
Roger Koeppel / "Die EU kapituliert vor der Völkerwanderung", sagt
der Herausgeber der Schweizer "Die Weltwoche". Die "gesetzlich
verankerte Unterscheidung zwischen echten Flüchtlingen nach der
Genfer Konvention und illegalen Wirtschaftsmigranten" löse sich auf.
"Stillschweigend dehnen die Behörden den Asylbegriff auf alle
Ankommenden aus. Die EU ist ein riesiger Magnet für illegale
Migration geworden", kritisiert Roger Koeppel, der bei den kommenden
Schweizer Nationalratswahlen als SVP-Kandidat antritt.
Richard SulÃk / "Es gibt keine Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen",
sagte der liberale Politiker kürzlich dem "Deutschlandfunk". Der
slowakische Europa-Abgeordnete wirft der EU ein Versagen bei der
Sicherung ihrer Grenzen vor und fordert ein zentrales Auffanglager
für Flüchtlinge in Nordafrika, in dem vor Ort über Asylanträge
entschieden werden solle. Die Entscheidung der slowakischen
Regierung, keine Muslime aufzunehmen, sei deren gutes Recht.
"Menschen bei Maischberger" ist eine Gemeinschaftsproduktion der
ARD, hergestellt vom WDR in Zusammenarbeit mit der Vincent TV GmbH.
Redaktion: Klaus Michael Heinz (WDR)
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