(ots) - Was tun mit den Bürgermeistern, die sich nach
Jahren auf ihrem Stuhl so wohl fühlen, dass sie diesen nicht mehr
freiwillig räumen wollen? Der Stuttgarter Landtag hatte eine Idee,
dem demografischen Wandel an der Gemeindespitze mit einer
Altersgrenze auf die Sprünge zu helfen. Das war 1972. In München
überschattete eine blutige Geiselnahme die Olympischen Spiele, in
Vietnam herrschte Krieg, die Lebenserwartung eines Deutschen lag bei
etwa 70 Jahren.
Lange her. Mehr als vier Jahrzehnte später ist die Altersgrenze
selbst in die Jahre gekommen: Das Wahlvolk ist selbstbewusster
geworden, fordert Mitsprache ein und schickt die Obrigkeit per Wahl
bei Bedarf auch in Pension. Denn so stark der Schultes in der
süddeutschen Ratsverfassung auch angelegt ist - am Ende hat der
Wähler das Wort.
Die Deutschen haben seit 1972 etwa ein Jahrzehnt an
Lebenserwartung gewonnen, sind länger körperlich fit und geistig
rege. Ältere Mitbürger bringen sich heute aktiv in die Gesellschaft
ein und fordern Mitsprache. Und Bürgermeister aller Altersgruppen
stoßen heute oft an ihre Grenzen. Selten sind diese altersbedingt,
viel öfter ist es die Vielzahl an Erwartungen. Die Familie fordert
Zeit, die Öffentlichkeit Präsenz und Transparenz, und alle wollen
Erreichbarkeit. Und wenn sich das Alter doch bemerkbar macht, haben
viele Politiker längst die Einsicht, dass es nach Jahrzehnten im
Betrieb jetzt auch mal gut gewesen ist.
Natürlich erschwert das Verweilen der Erfahrenen den Einstieg
junger Talente in das politische Alltagsgeschäft. Doch der Nachwuchs
wird wegen des demografischen Wandels auch rarer.
Mehr als vier Jahrzehnte nach ihrer Einführung ist es an der Zeit,
sich von der Fixierung auf starre Zahlen zu lösen. Und auch eine
Debatte zuzulassen, ob dies in Zeiten demografischen Wandels nur für
Kommunalpolitiker gelten soll. Denn generell gilt: Wenn vor
Jahrzehnten gezogene Grenzen des Alters Menschen an dem hindern, was
sie erfüllt und was der Gesellschaft gut tut, läuft etwas falsch.
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