(ots) - An der ärztlichen Schweigepflicht sollte man
prinzipiell nicht rütteln. Schon gar nicht aus reflexartigem
Aktionismus einiger Politiker heraus. Wenn jedoch die Befragung der
behandelnden Ärzte von Andreas L. dazu beitragen, eine
Flugkatastrophe dieser extremen Dimension aufzuklären und ähnliche
Szenarien in der Zukunft zu verhindern, muss es insbesondere für
sensible Berufsgruppen wie Piloten auch Ausnahmen geben.
Eine gelockerte Schweigepflicht hätte die Katastrophe in den Alpen
vielleicht nicht zwangsläufig verhindert. Vollkommene Sicherheit
bleibt eine Illusion - gewiss. Doch wenn es überhaupt möglich ist,
einer Katastrophe dieses Ausmaßes irgendetwas Sinnvolles
abzugewinnen, kann dies nur darin liegen, die richtigen Konsequenzen
zu ziehen. Ein nachhaltiger Lerneffekt kann aber nur dann erzielt
werden, wenn er mit Fakten gefüttert wird. Bleibt das Wissen über die
Beweggründe hingegen unvollständig, würden die gezogenen Konsequenzen
zu einem großen Teil auf Spekulationen beruhen. Nicht zuletzt die
Angehörigen der Opfer haben ein Recht zu erfahren, warum ihre
Liebsten sterben mussten. Leib, Leben und Gesundheit vieler sollte
das Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen überwiegen.
Das Gesetz der ärztlichen Schweigepflicht sollte deshalb ebenso
gründlich überdacht werden, wie die Frequenz der
Flugtauglichkeitstests von Piloten. Die jährliche Untersuchung
umfasst lediglich die körperliche Eignung. Doch nur weil
psychologische Defizite schwieriger zu entdecken sind, sollte man
nicht nach dem Berufseinstieg gänzlich darauf verzichten, nach ihnen
zu suchen. Die Devise muss deshalb lauten, die Verantwortung
präventiv nicht nur einem Arzt zu überlassen, sondern auf möglichst
viele Schultern zu verteilen, schon bevor hunderte Flugpassagiere
ihr Leben in die Hände einzelner Piloten legen.
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