(ots) - In jeder Großstadt gibt es soziale Brennpunkte. In
Kaiserslautern, einer Universitätsstadt mit knapp 100.000 Einwohnern,
ist es der ehemalige Kalkofen - heute umbenannt in Astern-, Geranien-
und Veilchenweg. Diese Gegend zählt zu den ältesten sozialen
Brennpunkten Deutschlands. Wer hier lebt, den hat die Gesellschaft
abgestempelt, der hat nichts mehr zu sagen. In der großen
Samstags-Dokumentation "Asternweg - Eine Straße ohne Ausweg" (am
11.04. um 20:15 Uhr) gibt VOX den Bewohnern des Straßenzuges eine
Stimme, um ihre Geschichten zu erzählen.
Fast jeder Sechste in Deutschland ist armutsgefährdet.* Im
Asternweg in Kaiserslautern gehört dieser Fakt, stellvertretend für
viele andere Gegenden, in denen Geld, Entwicklung und Bildung fehlen,
zum Alltag. Von Juli 2014 bis Januar 2015 hat VOX immer wieder in dem
Problem-Straßenzug gedreht und ist den Menschen dort näher gekommen.
Aus den zahlreichen Gesprächen hört man heraus: Wer einmal im
ehemaligen Kalkofen wohnt, der bleibt dort. In "Asternweg - Eine
Straße ohne Ausweg" berichten die Bewohner über einen Zeitraum von
insgesamt sechs Monaten, wie sie zu ihrem Leben am Rande der
Gesellschaft gekommen sind. Auf diese Weise erleben die Zuschauer
hautnah und authentisch, mit welchen Lebensumständen die Kalköfler
täglich zu kämpfen haben - Umstände, die vielen von uns fremd sind.
Welche persönlichen und gesellschaftlichen Chancen bieten sich den
Bewohnern des Asternwegs noch, die aufgrund ihres Wohnorts bereits
stigmatisiert zu sein scheinen? Welche Hoffnungen und Träume haben
sie? Und fühlt sich jemand für sie verantwortlich? In der
vierstündigen Dokumentation zeigt VOX ihre echten und ungeschönten
Geschichten.
Einige der Protagonisten:
Helmut Stay (37) und Stephanie Kallenbach (26), junge Familie
unter Beobachtung Stephanie "Steffi" Kallenbach lebt von Hartz IV und
wohnt zusammen mit ihren Eltern und ihren vier Kindern Jamie, Jeremy,
Alina und Anthony in drei Zimmern. Der Älteste, Anthony, ist gerade
neun Jahre alt. Zu Beginn der Dreharbeiten ist die 26-Jährige gerade
im neunten Monat schwanger und erwartet ihr fünftes Kind. Vater aller
fünf Kinder ist der arbeitslose Dachdecker Helmut: "Ich bin hier auf
die Welt gekommen. Ich gehe vom Kalkofen nicht weg. Ich bin hier groß
geworden. Bin stolz, ein Kalköfler zu sein. Fertig", stellt er klar.
Helmut lebt in seiner eigenen Wohnung im selben Block, zwei Eingänge
weiter. Auf diese Weise vermeidet er familiäre Reibereien. Steffis
Onkel hat die Familie wegen der katastrophalen Zustände in deren
Wohnung bei den Behörden gemeldet. Seitdem stehen die Kallenbachs
unter Beobachtung. Wenn sich an der Gesamtsituation nichts ändert,
will das Jugendamt der Familie die Kinder wegnehmen.
Joachim "Jockel" Klaus Richard Langner (62), der einsame
Gestrandete Joachim haben schwere Schicksalsschläge in den Kalkofen
gezwungen, die er verdrängen möchte. Sein Vater starb bei einem
Autounfall, an dem Joachim mit beteiligt war, später stirbt seine
Mutter. Sein Bruder nahm sich das Leben. "Jockel" landet zuerst auf
der Straße und strandet dann vor zwölf Jahren im Asternweg. Er wohnt
dort auf 30 Quadratmetern ohne Bad und warmes Wasser. Da der
Alkoholiker seine Rente fast vollständig vertrinkt, ist er am
Monatsende auf Almosen angewiesen - und das, obwohl ihm sogar keine
Kosten für Strom entstehen. Denn den hat er gar nicht erst
angemeldet. "Ja, so ist das. Und dann ist das mit dem Alkohol immer
mehr geworden. Es heißt, man ist dann ein Sozialfall und nicht mehr
voll belastbar, eine Arbeit auszuführen. Das Leben, das ich mir im
Moment vorstelle, ist die Zeit rumzubringen. Groß was aufbauen kann
ich ja mir nicht mehr mit 61", zieht er als Fazit.
Ilse Menke (51), Wirtin und gute Seele des Asternwegs Ilse ist im
ehemaligen Kalkofen geboren worden und in ärmlichen Verhältnissen
aufgewachsen. Doch sie hat sich im Asternweg eine Existenz aufgebaut.
Seit fast 25 Jahren steht die Wirtin beinahe jeden Tag hinter der
Theke ihrer Kneipe "Zum Ilse", die für viele Bewohner zweites
Wohnzimmer, Trinkhalle und Beichtstuhl ist. Ilse ist nicht nur
Geschäftsfrau, sie kümmert sich auch um die Leute aus ihrer Umgebung:
"Jeder Mensch hat in seinem Leben sein Päckchen zu tragen. Dem einen
geht's gut, dem anderen geht's schlechter. Der eine ist arm, der
andere reich. Aber meine Leute sind meine Leute. Ich lasse nichts auf
sie kommen", erklärt sie stolz. Ilse hat es als Einzige geschafft,
sich eine Existenz aufzubauen, ohne den Kalkofen je zu verlassen.
Katharina Dittrich-Welsh (36), Diplomaten-Tochter und
"Foodsharing"-Engagierte Katharina kommt aus bürgerlichen
Verhältnissen und wohnt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem der
schöneren Stadtteile Kaiserslauterns. Sie engagiert sich ehrenamtlich
beim Projekt "Foodsharing". Als "Grenzgängerin" versorgt sie in
diesem Rahmen die Kalköfler und 200 dort ebenfalls untergebrachte
Asylbewerber jeden Samstag mit frischen Backwaren, die eine
Bäckereikette in der Innenstadt spendet. "Ich konnte erst mal zwei
Nächte nicht richtig schlafen, weil ich diese Bilder nicht aus dem
Kopf bekam - weil es war wie ein Kriegsschauplatz, mitten in unserer
Stadt", fasst sie ihre ersten Eindrücke aus dem Asternweg zusammen.
Ihr Einsatz wird in dieser Gegend dringend benötigt, denn einige der
Bewohner des Problem-Straßenzugs haben oft tagelang nichts Richtiges
gegessen. Ein Anwohner berichtet: "Wenn die Katharina kommt, hab' ich
alle acht Tage meinen Bauch gefüllt." Doch aus Scham nehmen nicht
alle ihr Angebot an, obwohl sie es nötig hätten.
Das Wohnen im Asternweg, dem ehemaligen Kalkofen: Der Kalkofen
entstand kurz nach dem ersten Weltkrieg als illegal errichtete
Barackensiedlung. Nach ihrem Abriss entstanden in dem Straßenzug in
den 50er Jahren sogenannte "Schlichtwohnungsblöcke", die Obdachlosen
als Not-Unterkunft dienen sollten. Doch die Wohnungen existieren bis
heute. Eine typische "Schlichtwohnung", das sind 30 Quadratmeter,
aufgeteilt in eine 15 Quadratmeter große Wohnküche, ein zwölf
Quadratmeter großes Schlafzimmer und ein kleines WC. Warmes Wasser
gibt es nicht. Anschlüsse für einen Herd und Ofen sind vorhanden,
doch die kann sich längst nicht jeder im Asternweg leisten. Geheizt
wird zumeist mit Holz vom Sperrmüll. Die Fenster sind nur einfach
verglast, die Außenwände der Häuser ungedämmt und einige der
Wohnungen feucht. Um hier zu leben, zahlen die Bewohner keine Miete,
sondern ein Nutzungsentgelt an die Stadt von ca. 75 Euro im Monat. Im
Jahr 2000 benannte die Stadt Kaiserslautern die Straße "Am Kalkofen"
in Astern-, Geranien- und Veilchenweg um. So sollte dem vermeintlich
schlechten Ruf der Straße entgegengewirkt werden.
Zum Hintergrund:
In den vergangenen Jahren gab es auch in Großbritannien Formate,
die das Leben in sozialen Brennpunkten thematisierten und stark
polarisierten. Ihre brisanten Inhalte wurden in den Medien vielfach
diskutiert und lösten auf höchster politischer Ebene Debatten um die
Höhe und Anpassung von Sozialleistungen aus.
Die große Samstags-Dokumentation "Asternweg - Eine Straße ohne
Ausweg" zeigt VOX am 11.04. um 20:15 Uhr.
*LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) 2013, Statistisches Bundesamt
(Destatis)
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