PresseKat - Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Zivilcourage Ein hoher Preis CARSTEN HEIL

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Zivilcourage
Ein hoher Preis
CARSTEN HEIL

ID: 1142000

(ots) - Deutschland hat eine Heldin mehr - und eine
hoffnungsvolle, leistungsfähige und dem Leben zugewandte junge Frau
weniger. Die mutige junge Türkin Tugce A. ist tot, sie starb an den
Folgen eines bösen Angriffs. Mag sein, dass es eine Verkettung
unglücklicher Umstände war, dass der Täter sie nicht tödlich
niederschlagen wollte. Dennoch ist er mit äußerster Aggressivität auf
sie losgegangen. Das muss für jeden normal empfindenden und denkenden
Menschen schmerzlich, durch das Schicksal der jungen Türkin sogar
empörend sein. Tugce A., die sich schützend vor zwei Mädchen stellte,
als zwei hirnlose Kerle sie belästigten, hat einen hohen Preis
gezahlt für ihre Zivilcourage. Den höchsten, den ein Mensch
entrichten kann. Unabhängig davon, was sich wirklich in der Nacht zum
16. November zugetragen hat, kann sich dieses Land vor der
türkischstämmigen 23-Jährigen nur in Hochachtung und Respekt
verbeugen. Sie hat uns gezeigt, wie sich der Mensch richtig verhält
in solchen Situationen. Aber: Ihr Tod stellt uns auch in Frage. Jeder
Einzelne von uns muss sich fragen, wie er/sie in solch einer
Situation gehandelt hätte. Denn es war nicht zu viel Zivilcourage,
die Tugce den Tot gebracht hat, sondern zu wenig. Es stellten sich
schon beim Vorfall eine Stunde zuvor auf der McDonalds-Toilette zu
wenig Menschen hinter Tugce. Und auch als der Täter ihr auflauerte,
sprangen dem Opfer keine Helfer bei. Wie bei dem Manager Dominik
Brunner, der 2009 auf einem Münchner S-Bahn-Steig vier Schüler vor
Peinigern schützte und ebenfalls mit seinem Leben bezahlte. Es gibt
zahlreiche Fälle, in denen mehr Menschen wegsahen als eingriffen.
Oberflächlich betrachtet lohnt sich Zivilcourage also nicht. Wer sie
zeigt, kommt selber in Gefahr, so der Eindruck. Das stimmt. Schon dem
Begriff "Courage" wohnt die Gefahr inne. Mut oder Beherztheit braucht




es nicht, wenn alles in Ordnung ist, wenn keine Gefahr droht.
Allerdings gibt es täglich Hunderte Situationen, bei denen Menschen
in Deutschland eingreifen, wenn es brenzlig wird. Meistens endet es
glücklich und der Vorfall wird gar nicht groß bekannt. Zivilcourage
wirkt deshalb so gefährlich, weil meist nur Fälle mit negativem
Ausgang bekannt werden, die glücklichen weniger. Zivilcourage ist
aber nicht immer gefährlich. Vor allem: Sie wird immer
ungefährlicher, je mehr Menschen sie haben, je mehr eingreifen. Wenn
sich Aggressoren vielen Entschlossenen gegenübersehen, weichen sie
zurück. Je mehr Menschen Mut und Beherztheit zeigen, desto mehr
verteilt sich das Risiko. Der Einzelne steht unter dem Schutz der
anderen. Nicht umsonst empfehlen einschlägige Ratgeber, sich in
solchen Situationen Verbündete zu suchen. Die Alternative, nicht
einzugreifen, bietet sich nicht. Es wäre darum sinnvoll, im
Schulunterricht nicht nur Lerneinheiten über Selbstbehauptung zu
integrieren, sondern auch zum Thema Zivilcourage. Ganz konkret: Wie
verhalte ich mich im Konfliktfall, der sich zwischen Dritten
abspielt? Wie organisiere ich mir und dem Opfer Hilfe? Wie
deeskaliere ich eine aggressive Lage? Ansätze dazu gibt es. Aktuell
muss die Solidarität der Familie der getöteten Studentin gelten. Es
ist gut, das Hunderte Menschen zu Gedenkveranstaltungen für Tugce A.
zusammenkommen. Das ist den Hinterbliebenen Trost. Es bleibt zu
hoffen, dass die Familie viele Freunde hat, die sich länger kümmern,
als die aktuelle Betroffenheit anhalten wird.



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Datum: 28.11.2014 - 20:30 Uhr
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