(ots) - Es war eine Sternstunde der deutschen
Rechtsprechung, als das Bundesverfassungsgericht 1983 das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung manifestierte. Gestoppt wurde damals
nichts Geringeres als eine Volkszählung. Heute sind wir 31 Jahre
weiter - wobei sich die Frage stellt, ob wir wirklich weiter oder nur
älter sind -, und ein Arzt schafft es mit Hilfe des 1983 geschaffenen
Grundrechts nicht einmal mehr, sich ein Online-Bewertungsportal vom
Hals zu halten? Schöne neue Welt, oder eher: "www." in der Variante
"World Wild Web"? Das Recht des Arztes auf seinen persönlichen
Datenschutz rangiere nicht höher als das Informationsinteresse und
die Meinungsfreiheit eines Online-Bewertungsportals und der Nutzer
desselben, sagt der Bundesgerichtshof. Die Wahrheit ist eher die: Das
Portal hat vor allem ein Geschäftsinteresse, die Nutzer gewiss ein
Interesse an Information, aber ganz sicher auch an der Chance zu
plaudern, vielleicht auch zu lästern, Meinungsbilder zu manipulieren
oder im Notfall gar einen Shitstorm zu entfesseln. Zugespitzt
formuliert könnte man also argwöhnen, letztlich schlage das Recht auf
Shitstorm das Recht auf Datenschutz und informationelle
Selbstbestimmung. Wohl wahr: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit
nimmt einen extrem hohen Stellenwert ein, völlig zu Recht. Aber als
das Grundgesetz 1949 in Kraft trat, war selbst in wüstesten Träumen
nicht vorhersehbar, dass der Begriff "Shitstorm" jemals eine Rolle
spielen könnte, und dass sich im Netz im Jahr 2014 bisweilen eine Art
von Meinungsfreiheit manifestieren würde, die die Menschen des Jahres
1949 in Schockstarre versetzt hätte. Bedeutet: Über Inhalte und
Rangfolgen von Grundrechten werden Richter künftig wohl ganz neu
nachdenken müssen.
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Wolfgang Bürkle
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