(ots) - Gerüchte gab es schon lange, nun ist es
offiziell: Ende des Jahres will Netflix auch in Deutschland starten.
Der Dienst, der aus den USA kommt und dort sehr beliebt ist, wird -
und das ist gut so - auch den hiesigen Markt aufmischen. Er bietet
etwas, das weder Fernsehsender wie ARD und RTL noch
Online-Videotheken wie Watchever und jene von Amazon noch
Pay-TV-Sender wie Sky im Angebot haben: neue und hochwertige, weil
selbst produzierte US-Serien, die jederzeit als Ganzes angeschaut
werden können. Genau das, was immer mehr Zuschauer wollen. Was sie
nicht mehr wollen, ist auferlegt zu bekommen, wann sie etwas sehen
können und wie viel. Es ist Sonntag, 23.15 Uhr, Sat.1 zeigt die
dritte Staffel von »Homeland«. Zwar sind die Quoten nicht mehr so gut
wie bei den ersten beiden Staffeln, aber fast eine Million Menschen
gucken CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes) und Co. immer noch
zu. Vielleicht wollen sie das aber lieber montags um 20.30 Uhr. Oder
freitags um 19 Uhr. Vielleicht wollen sie auch nicht nur eine Folge
sehen, sondern mehrere. Vielleicht wollen sie sogar die ganze Staffel
an einem Wochenende schaffen. Binge-Watching nennt man dieses
Verhalten (auf Deutsch würde man wohl Komaglotzen sagen). Man kann es
finden, wie man will, aber es ist nun einmal da, es ist ein
kultureller Trend - nämlich der, dass sich Sehgewohnheiten ändern.
Beinahe hätte die britische Universität Oxford als Herausgeber der
renommierten Oxford-Wörterbücher Binge-Watching zum englischen Wort
des Jahres 2013 gekürt. Selfie setzte sich letztlich durch. Netflix
hat Binge-Watching wie kein anderer Anbieter geprägt. Mit »House of
Cards« stellte das Unternehmen im Februar vergangenen Jahres die
erste Hochglanz-Serie ins Internet, die ausdrücklich fürs Internet
produziert worden war - von Netflix selbst. Die Kunden konnten sie
gucken, wann, wo und wie lange sie wollten. Und sie taten es: Der
Untersuchung von Netzwerkanalysten zufolge verursachte Netflix 2013
als einzelner Anbieter den größten Datenverkehr in den USA. Ein
Drittel der Datenmenge ging auf sein Konto, das Doppelte von Youtube.
Zudem überholte er bezüglich der Sehdauer jeden Kabelsender und
bezüglich der Anzahl zahlender Kunden den Premiumkanal HBO. Ach ja,
und als erster Nicht-Fernsehsender gewann Netflix einen Emmy. Blickt
man über den Atlantik, nach Deutschland, ist die Markt- und
Fernsehsituation (noch) etwas anders. Deutschland ist eines der
letzten großen Länder der Welt, in denen DVDs noch im großen Stil
verkauft werden. Und ja, das lineare Fernsehen, jenes also, bei dem
die Sender Abfolge und Uhrzeit von Serien vorgeben, ist im Alltag
etlicher, vor allem älterer Menschen immer noch fest verankert. Die
jüngeren aber, sie gucken schon anders. Die Verteilungskämpfe der
Anbieter beginnen. Niemand muss sich wundern, wenn Kinder in 20
Jahren fragen: »Eine Sendung läuft am Sonntag um 20.15 Uhr - was soll
das bedeuten?«
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Andreas Kolesch
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