(ots) - Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland
wirft auch Schatten auf den Eurovision Song Contest (ESC). Denn unter
den 37 Ländern, die in dieser Woche an der 59. Auflage der
Europameisterschaft der Popmusik in Kopenhagen teilnehmen, sind auch
die beiden osteuropäischen Staaten, die nach langer Zeit wieder
Kriegsangst in Europa haben aufkommen lassen. Die Kontrahenten sind
gleich im ersten Halbfinale am Start - zwei Zwillingsschwestern aus
Russland und die Ukrainerin Marija Jaremtschuk singen um den Einzug
ins große Finale am Samstag. Bei der Abgabe von »Volkes Stimme« per
Televoting spielt die Qualität der Lieder oder der Sangeskunst nicht
immer die entscheidende Rolle. In der Vergangenheit war Russland
aufgrund des Abstimmungsverhaltens der starken russischsprachigen
Minderheiten in vielen osteuropäischen Ländern stets ohne Probleme
ins Finale gekommen. Dürfen sowohl Russland als auch die Ukraine dort
am Samstag noch einmal auftreten, wird man gespannt auf die
Punk-tevergabe schauen. Wie verhalten sich die Weißrussen oder Polen,
die Menschen im Baltikum, im Kaukasus oder in Moldawien? Ist die
Angst vor Putins Politik in den Nachbarländern auch beim ESC zu
spüren? Oder obsiegen letztendlich doch wieder die kulturellen
Gemeinsamkeiten? Dass politische Konflikte und kulturelle Nähe
einander nicht ausschießen müssen, zeigt das Beispiel Ex-Jugoslawien.
2004, nur wenige Jahre nach den blutigen Kriegen auf dem Balkan,
würdigten Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina den ESC-Beitrag
Serbien-Montenegros mit der Höchstpunktzahl 12. Politisch gab es
dafür kaum Gründe. Kulturell eben doch. Vor zehn Jahren in Istanbul
gewann übrigens die Ukraine mit der Sängerin Ruslana den Contest. Der
ESC versteht sich ausdrücklich als unpolitisch - und war es doch
eigentlich nie. Schon als die in der European Broadcasting Union
(EBU) zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten 1956 zum ersten Mal zu
einem »Großen Preis der Lieder« einluden, ging es nicht nur um Musik.
Der im noch jungen Fernsehen übertragene, grenzüberschreitende
Wettbewerb sollte die Verständigung und das friedliche Miteinander in
Europa voranbringen. Ziele, die im Europa des Jahres 2014 nicht
unwichtiger geworden sind. Mehr als 150 Millionen Menschen werden das
Finale des musikalischen Wettstreits am 10. Mai am Fernseher
verfolgen. Die Freude über gute Songs, aber auch Kopfschütteln über
schräge Beiträge oder schiefe Töne wird ansonsten sehr
unterschiedliche Menschen und Kulturen zwischen Atlantik und Ural,
zwischen Nordkap und Mittelmeer einen Abend lang verbinden. Gerade in
Zeiten, in denen in Europa das Gemeinsame gern aus dem Blick gerät,
ist so ein grenzüberschreitendes, verbindendes Event wichtig. Es
lässt Menschen in ganz Europa zusammenkommen - auch Russen und
Ukrainer. Nicht um zu streiten, sondern um zu feiern.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261