(ots) - Russland hat sich - unter Bruch des Völkerrechts -
in einem Akt offener psychischer und getarnter physischer Gewalt die
Krim unter den Nagel gerissen. Sodann hat der Kreml gewaltbereiten
Separatisten in der Ost-Ukraine zumindest Sympathie - wenn nicht
Unterstützung - signalisiert, sie damit zu Gewaltaktionen animiert
und selbst an der Grenze ein erhebliches Bedrohungsszenario
aufgebaut, das schlimmste Befürchtungen verursacht. Ein autoritäres
Regime, das das freie Wort mehr unterdrückt als schätzt, tut sich
leichter mit solchen überkommenen Formen der Machtausübung; freien
Gesellschaften fällt das schwerer. Dem "dekadenten Westen" mal zu
zeigen, wo es langgeht, entspricht durchaus Putins politischer Linie.
Die europäischen Demokratien haben verständlicherweise - und Gott sei
Dank - Skrupel, so unverhohlen auf Gewalt zu setzen. Sie wirken
hilflos in ihrem Bemühen, irgendwie angemessen auf die anhaltenden
russischen Provokationen zu reagieren. Soll man den Westen dafür
tadeln, dass er diskutiert, zweifelt, sich windet, welche Reaktionen
und Sanktionen angemessen sind, und keinesfalls militärische
Antworten ins Kalkül zieht? Man kann auf jeden Fall erwarten, dass
seine Politiker zumindest alles unterlassen, was die russische
Staatsführung als Beistand, Sympathie oder Zustimmung verstehen
könnte. Obwohl es fast lächerlich wirkt, das zu erwähnen, scheint der
Hinweis nötig zu sein; denn vermeintlich Selbstverständliches hält
sogar einen erfahrenen Staatsmann wie Gerhard Schröder nicht von
Dummheiten ab. Auch und gerade in der Krise um die Ukraine muss man
mit Putin reden - zweifellos. Obama tut es, Merkel tut es, Hollande
tut es. Man muss alles versuchen, um Putin und dessen Handeln zu
verstehen. Wie will man sonst zu erträglichen Lösungen kommen? Aber
man muss nicht mit ihm Geburtstag feiern, ihn mit strahlendem Lächeln
umarmen. Als Freund des Autokraten im Kreml und als Lobbyist für die
Wirtschaftsinteressen russischer Staatskonzerne lässt Schröder jede
nötige Distanz vermissen. Ein Ex-Kanzler ist nie nur Privatmann -
schon gar nicht, wenn er Spitzenpolitiker der allerersten Garde
trifft. Schröder weiß das; es ist ihm egal. Was der Altkanzler sich
geleistet hat, ist unnötig, gedankenlos und letztlich unverschämt
gegenüber den unmittelbar Betroffenen des aktuellen Konflikts und
denjenigen, die sich für Verständigung engagieren. Dass Schröder
damit Außenminister Steinmeier brüskiert, mag manchem egal sein. Dass
er damit seiner SPD schadet, mag der eine oder andere sogar begrüßen.
Aber er schadet der Bundesrepublik. Denn nach wie vor gibt es -
gerade auch bei engsten Verbündeten - Skepsis, dass sich Berlin in
einer Sonderrolle gegenüber Russland sehen könnte. Die darf es nie
geben. Nebenbei bemerkt: Sollte auch der außenpolitische Sprecher der
Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder, an der Party in St.
Petersburg teilgenommen haben, würde das keine Rolle spielen. Der
Mann hat sich bisher weitgehend als politische Luftnummer erwiesen,
als jemand der allenfalls überschätzt wird - vor allem von sich
selbst.
Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher(at)zeitungsverlag-aachen.de