(ots) - Sowohl Berlin als auch Wien galten bereits Ende des
19. Jahrhunderts als aufstrebende Metropolen, dennoch repräsentieren
sie bis in die Gegenwart gänzlich konträre Identifikationsmodelle und
ein vollkommen unterschiedliches kulturelles Selbstverständnis.
Während der Austausch der beiden Weltstädte in der Literatur-,
Theater- und Musikwissenschaft bereits intensiv erforscht wurde,
bilden die Gegenüberstellung künstlerischer Entwicklungen und die
Untersuchung ihrer Beziehungen einen blinden Fleck. Aus
kunsthistorischer Sicht wurden sie lediglich anhand einzelner
biografischer Studien beachtet. Die Ausstellung Wien - Berlin. Kunst
zweier Metropolen, eine Kooperation der Österreichischen Galerie
Belvedere und der Berlinischen Galerie, ist erstmals den
künstlerischen Parallelen, Differenzen und Wechselwirkungen zwischen
den beiden Städten gewidmet und spannt dabei einen Bogen vom Beginn
des 20. Jahrhunderts bis zur Zwischenkriegszeit.
Auf der einen Seite steht Berlin, eine großflächige, beinahe
amerikanisch anmutende Metropole ohne gewachsenes Zentrum, auf der
anderen Wien, eine Stadt der Operette mit barocker Prägung, die vor
allem mit der Décadence in Verbindung gebracht wird. Während Wien die
Kapitale einer ehrwürdigen Monarchie ist, muss sich Berlin als neues
Machtzentrum gegenüber pluralistischen Tendenzen im Deutschen Reich
durchsetzen. Dementsprechend entwickelt sich die Kunst in Berlin
gemäß dem preußischen Hegemoniestreben der Staatsführung dienend oder
zu diesem in Opposition. Anders Wien, in dem die Habsburgermonarchie
die avantgardistischen kulturellen Bestrebungen, die vom liberalen
Bürgertum unterstützt werden, gewähren lässt. "Während die Berliner
Secession erst die künstlerischen Freiräume erobern musste, konnte
die Wiener Secession auf die Unterstützung des Großbürgertums zählen,
welches beispielsweise den prächtigen Bau der Wiener Secession zu
großen Teilen finanziert hat", so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des
Belvedere. "Die durchgängig oppositionelle Haltung der Berliner
Avantgarde zeigt sich beispielweise an der Tatsache, dass sich die
Berliner Secession gegen die jungen Expressionisten stellte, während
in Wien Gustav Klimt als Vaterfigur junge Künstler wie Oskar
Kokoschka, Egon Schiele und Max Oppenheimer förderte", führt
Alexander Klee, der Kurator der Ausstellung, weiter aus.
Das Ausstellungskonzept basiert auf den Sammlungen der
kooperierenden Museen, wobei ein Gründungsgedanke der Modernen
Galerie, des heutigen Belvedere, aufgegriffen wurde: die
Dokumentation österreichischer Kunst, ihrer internationalen Bezüge
und Zusammenhänge. Ausgangspunkte von Wien - Berlin bilden die
Beziehungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden kurz
nacheinander gegründeten Secessionen. Die Bedeutung des Kunstgewerbes
und der Formkunst für die Wiener Secession wird anhand von Werken
Josef Hoffmanns aufgezeigt, und Arbeiten von Eugen Spiro oder Max
Liebermann verdeutlichen die Orientierung der Berliner Secession am
französischen Impressionismus.
Mit dem Ende des ersten Jahrzehnts entfalten sich die
expressionistischen Strömungen in beiden Städten - während sich die
Wiener Expressionisten durch ihre psychologische Einfühlung
auszeichnen, weisen jene in Berlin vor allem einen
ekstatisch-aggressiven Gestus auf. Gezeigt werden Werke von Max
Pechstein und Ernst Ludwig Kirchner, die sich in Berlin in Opposition
zur etablierten Secession als Neue Secession formieren,
Expressionisten wie Ludwig Meidner, Conrad Felixmüller oder Rudolf
Belling sowie Arbeiten von Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Anton
Faistauer oder Max Oppenheimer, die von der Wiener Klimt-Gruppe
unterstützt werden.
Der Erste Weltkrieg führt zur Annäherung beider Nationen, sodass
sich in Bezug auf die einsetzende Neue Sachlichkeit und insbesondere
im Rahmen der Bühnenkunst ein reger künstlerischer Austausch
entwickelt. Beispielsweise verzeichnet Friedrich Kiesler, dessen
konstruktivistisches Hängesystem in die Schau integriert ist, erste
Erfolge in Berlin und organisiert im Jahr 1924 eine internationale
Ausstellung für Theatertechnik in Wien, die wiederum Berliner
Avantgarden nach Österreich führt. Zeitgleich gewinnt der Wiener
Kinetismus mit Ansätzen des Expressionismus und des Futurismus an
Einfluss, der im Unteren Belvedere mit einer Anzahl von Werken u. a.
von Erika Giovanna Klien veranschaulicht wird. Ihm steht die Berliner
Dada-Bewegung gegenüber, die sich auf kritische wie subversive Weise
mit aktuellen gesellschaftlichen Zuständen auseinandersetzt und auf
diesem Weg eine Antikultur bildet.
Insbesondere die Roaring Twenties machen die Annäherungen der
Positionen deutlich und erlauben eine neue Sicht auf die Verbindungen
der gegensätzlichen, aber dennoch eng miteinander verwobenen
Hauptstädte - Sozialkritik und Ästhetisierung, kubische Formensprache
und Verismus überlagern sich. So ist Herbert Boeckl in Berlin
anzutreffen, während Hauptwerke von Christian Schad in Wien
entstehen. Diese Entwicklung wird in der Schau mit Werken von Otto
Dix, Christian Schad, Rudolf Schlichter, George Grosz, Albert Paris
Gütersloh, Anton Kolig und Rudolf Wacker verdeutlicht. Darüber hinaus
wird die Bedeutung der miteinander konkurrierenden Kunstzeitschriften
Aktion, Sturm und MA beleuchtet. Gezeigt werden Arbeiten von u. a.
Max Beckmann, Rudolf Belling, Herbert Boeckl, Conrad Felixmüller,
Helene Funke, George Grosz, Raoul Hausmann, Hannah Höch, Josef
Hoffmann, Johannes Itten, Friedrich Kiesler, Ernst Ludwig Kirchner,
Erika Giovanna Klien, Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Lotte
Laserstein, Max Liebermann, Jeanne Mammen, Ludwig Meidner, László
Moholy-Nagy, Koloman Moser, Felix Nussbaum, Max Oppenheimer, Max
Pechstein, Christian Schad, Egon Schiele, Arnold Schönberg, Franz
Sedlacek, Renée Sintenis und Rudolf Wacker.
Wien - Berlin. Kunst zweier Metropolen ist eine Kooperation des
Belvedere und der Berlinischen Galerie.
Die Ausstellung ist bis 15. Juni 2014 im Unteren Belvedere zu
sehen. Hoch aufgelöste Bilder stehen unter www.belvedere.at/presse
kostenlos für Pressezwecke zur Verfügung.
Rückfragehinweis:
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Wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts
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