(ots) - Vier Monate und eine Regierungserklärung nach 
der Bundestagswahl fällt die erste Bilanz ernüchternd aus: Zwar gehen
die Koalitionspartner CDU/CSU und SPD weit stilvoller miteinander um,
als es Union und FDP jemals gelungen ist. Doch damit ist das Lob auch
schon aufgebraucht.  Denn erstens ist die friedvolle Atmosphäre im 
Kabinett trügerisch, weil sie die Differenzen zwischen den 
Regierungsparteien bloß überdeckt. Überbrücken lassen sie sich kaum -
dafür sind die Politikansätze zu verschieden. Somit dürfte der faule 
Kompromiss zum ständigen Begleiter der GroKo werden. Und zweitens ist
Schwarz-Rot in der Sache keinen Deut besser gestartet als 
Schwarz-Gelb: Auch die dritte Regierung Merkel beginnt mit einem 
politischen Sündenfall. Was 2009 der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für
Hoteliers war, ist 2014 ein Rentenpaket gigantischen Ausmaßes. 
Erstaunlich aber: Während die mit Blick auf die Kosten geradezu 
läppische Entscheidung der Vorgängerregierung von Anfang an als 
»Mövenpick-Steuer« gebrandmarkt wurde und der FDP fortan wie ein 
Mühlstein am Hals hing, ist die Lage für Union und SPD nach dem 
einstimmigen Kabinettsbeschluss dieser Woche regelrecht komfortabel. 
Umfragen zeigen: Die Menschen sind mit den Rentenbeschlüssen 
zufrieden. Warum? Weil sie ein Gerechtigkeitsversprechen darstellen. 
Wer da nach den Kosten und der Art der Finanzierung fragt oder auch 
davor warnt, dass anstelle derer, die profitieren sollen, die 
Falschen profitieren werden, steht schnell als Krawallmacher da. Erst
recht, da die aktuell - zum Glück - günstige wirtschaftliche Lage den
Blick für die langfristigen Folgen verstellt. Die Deutschen sind 
gerade sehr mit sich und der Gegenwart zufrieden, und die Zukunft ist
weit.  Recht bekommen und Recht haben aber sind bekanntlich zwei 
verschiedene Dinge. So bleiben die für den 1. Juli angekündigten 
Änderungen im Rentenrecht das Menetekel dieser Koalition. Man kann 
nur hoffen, dass es den wenigen im Regierungslager verbliebenen 
Kritikern im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens gelingt, den Schaden 
einzugrenzen. So oder so gewiss ist aber, dass schon die nächste 
Regierung für diese Wohlfühlpolitik wird büßen müssen - egal welcher 
Couleur sie sein mag und wer sie anführt. Und die Bürger erst recht. 
Ganz unabhängig von den Spekulationen, dass Angela Merkel dann aus 
freien Stücken nicht mehr an vorderster politischer Front dabei sein 
könnte, fragt man sich folglich, wen die Kanzlerin gemeint hat, als 
sie in ihrer Regierungserklärung »Mut zu Reformen« forderte. Sich 
selbst wohl eher nicht.  Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hat einst 
eine Politik betrieben, die ihm und seiner Partei sehr geschadet, das
Land aber enorm vorangebracht hat. Die 41,5-Prozent-Kanzlerin muss 
aufpassen, dass es ihr nicht umgekehrt geht. Ausgerechnet im Zenit 
ihrer Macht lässt Angela Merkel wider besseren Wissens eine Agenda 
des Rückschritts zu.
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